Klinikgeburt: Nicht ohne meinen Mann!

Klinikgeburt: Nicht ohne meinen Mann! Warum ich von einem Verbot der Geburtsbegleitung in Zeiten von Corona nichts halte.
Photo: allesbeginntmitdir.de

Wegen der Corona-Epidemie schließen immer mehr Kliniken Partner der Gebärenden während der Entbindung von Kreißsälen aus. Welche Folgen diese Entscheidung haben kann, wie wir damit umgehen und was WHO und auch ich in dieser Situation fordern, erfährst Du in diesem Artikel.

Worum gehts?

Unter anderem in einem Krankenhaus in Koblenz, in Potsdam oder in den Leipziger Kliniken ist es schon traurige Realität. Wegen einer möglichen Ansteckung mit dem Coronavirus darf keine Begleitperson mehr mit zur Entbindung in den Kreißsaal. Nicht mal die Partner! „Aus Sicherheitsgründen für das Personal“, sagt der Kliniksprecher aus Potsdam.

Sowohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als auch die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) befürworten auch während der Corona-Pandemie eine Begleitperson bei der Geburt im Kreißsaal oder bei einem Kaiserschnitt. Sie halten die Entscheidung vieler Kliniken für überzogen und stellen durch diese Maßnahme auch die Sicherheit der Geburt in Frage.

Tatsächlich wären viele Gebärende ohne Begleitung durch einen Partner einer ziemlich prekären Lage ausgesetzt. Laut Motherhood e.V. betreut im Schnitt eine Hebamme drei Geburten. Die Gebärende wäre also die meiste Zeit während ihrer Geburt allein im Kreißsaal. Ein solches Verbot trifft also sowieso schon auf einen bekannten Personalmangel in der Geburtshilfe.

Wer soll hier eigentlich geschützt werden?

Eine Infektion mit dem Coronavirus halte ich als Laie für medizinisches Personal im privaten als auch beruflichen Bereich in den kommenden Monaten für äußerst wahrscheinlich. Auch wird wohl kaum nur der Geburtsbegleiter von einer Infektion betroffen sein, sondern in diesem Fall auch oft die Gebärende. Zuletzt musste ich hören, dass die ein oder andere Gebärende (ohne Symptome wohlgemerkt) schon Mund-Nasen-Schutz während der gesamten Geburt tragen musste. Leider kein Scherz.

Ich stelle also zurecht die Frage, wer soll hier eigentlich vor wem oder was geschützt werden?

Haben das körperliche und seelische Wohlergehen der Gebärenden, des Kindes und des Geburtsbegleiters denn so wenig Gewicht, das allein der Schutz des Personals im Vordergrund steht?

Ist das Kreißsaalpersonal denn tatsächlich im Stande dazu, sichere Geburten ohne Begleiter durchzuführen?

Ich bezweifle es, denn eine 1:1-Betreuung durch eine Hebamme wird keiner Gebärenden in Geburtskliniken garantiert. Nicht mal als ich bei meinen beiden Geburten, die einzige in einem der drei Kreißsäle war, hat man sich dauerhaft 1:1 um uns gekümmert. Der Mann war ja schließlich da…

Begleitung im Kreißsaal ist für mich indiskutabel

„Noch in den Fünfzigerjahren hätten Väter Frau und Kind nach der Geburt nur durch eine Glasscheibe ansehen dürfen. Das würde er heute natürlich nicht als erstrebenswert darstellen wollen, trotzdem zeige die Praxis: „Es ist möglich“, sagt Chefarzt Winkler“, Leiter der Geburtsstation am Klinikum Dillenburg in Hessen.

Solche Aussagen machen mich wütend, denn sie zeigen, wie wenig Verständnis für die außergewöhnliche Situation, die eine Geburt für eine Frau darstellt, bei manchen Entscheidungsträgern vorhanden sein kann. Eine Errungenschaft der letzten 20 Jahre wie einen vertrauenswürdigen Geburtsbegleiter an der Seite zu haben, sollte meiner Meinung nach auch nicht in der Krise über den Haufen geworfen werden, weil „es ja früher auch ging“.

Warum mir mein Mann bei der Geburt so wichtig war und ist

Für mich ist die Begleitung meines Mannes indiskutabel. Das steht fest.

Sollte mein Mann den Kreißsaal nicht betreten dürfen, werde ich es auch nicht tun. Ich brauche ihn für diese Extremsituation, mehr als jede Hebamme oder medizinische Intervention.

Genauso wichtig wie das erste Kennenlernen von Mutter und Kind ist mir das Bonding zwischen Vater und Kind in den ersten Stunden. Er darf schon nicht mit auf die Wochenbettstation. Im schlechtesten Fall lernt er das Kind also erst nach einer Woche (!) kennen.

Ich frage mich auch, wie mein Mann nach einer schwierigen, vielleicht sogar traumatischen Geburt verstehen können soll, was mit mir los ist? Er kann dann überhaupt nicht nachvollziehen, was passiert ist und warum es mir so geht. Ich hätte im Falle von ungerechtfertigten (übergriffigen) medizinischen Eingriffen gar keinen Menschen „auf meiner Seite“. Es stünde Aussage gegen Aussage. Und jede Frau, die schon mal ein Kind bekommen hat, weiß, dass die letzten Stunden einer Klinikgeburt oft in Trance ablaufen und vieles „einfach gemacht wird“.

Bei dem Gedanken in fremde Gesichter zu schauen, die auch noch mit Masken bedeckt sind, wenn ich mein Baby das erste Mal im Arm halte und diesen Moment nicht mit dem wichtigsten Menschen in meinem Leben teilen zu dürfen, werde ich sehr traurig.

Nicht ungefährlich

Mal abgesehen von der nicht zu garantierenden 1:1-Betreuung im Kreißsaal und den negativen Folgen, die diese Situation mit sich bringen kann, häufen sich mittlerweile auch die Anfragen bei Hausgeburtshebammen und Geburtshäusern. Diese können auf die schnelle aber keine zusätzlichen Geburten mehr einplanen. Das braucht monatelange Vorarbeit und Zeitpläne, die es einzuhalten gilt, um alle Frauen adäquat zu betreuen. Und natürlich gibt es diese Möglichkeit sowieso nur für Schwangere, die keine Risikofaktoren haben und nah genug am Termin entbinden.

Mit dem Ausschluss eines Geburtsbegleiters aus dem Kreißsaal und dem bekannten Mangel an Hausgeburtshebammen könnte es aber sein, dass sich Schwangere in Alleingeburten „retten“, das heißt ganz ohne Hebamme, dafür aber mit Personen, denen sie vertrauen, entbinden. Zugegeben habe auch ich diese Option durchdacht, wenn es mit der Geburt sehr schnell geht und zumindest dieses Buch zum Thema Alleingeburt* gelesen. Ich würde aber keiner Frau zu einer Alleingeburt raten, erst recht nicht, wenn sie sich nicht sehr gut darauf vorbereitet hat und alle Voraussetzungen (keine Risikofaktoren, Kindslage) erfüllt sind.

Warum wir noch ein bisschen Glück im Unglück haben

Aktuell dürfen Begleiter in unserem Uniklinikum (noch?) mit in den Kreißsaal. Sie dürfen aber bei Voruntersuchungen, bei denen entschieden wird, ob die Geburt schon weit genug fortgeschritten ist, nicht dabei sein. Das finde ich nicht so schlimm. Es bedeutet für uns nur, noch etwas länger zu Hause abzuwarten, bis wir in die Klinik fahren und so Voruntersuchungen direkt zu überspringen. Muttermund ertasten kann ich selbst und mein Mann kann Wehenabstände und Zervixöffnung in Zentimetern ansagen.

Ich hoffe, dass sich die Situation für uns nicht noch weiter verschärft. Ich wünsche mir, dass die (genannten) Kliniken ihre Entscheidung so schnell wie möglich überdenken, so dass wieder alle Frauen trotz Coronavirus-Epidemie einen Geburtsbegleiter mit in den Kreißsaal nehmen dürfen.

Wie lösen wir das nun?

Wir können auf jeden Fall nicht das nächste Jahr Geburtsbegleiter aus den Kreißsälen ausschließen. Es braucht eine Lösung, die alle Beteiligten gleichermaßen schützt: Gebärende, Kind, Partner und Personal.

Antikörpertests

Wenn die Gefahr der Ansteckung des Personals durch den Geburtsbegleiter tatsächlich so hoch ist, warum schicken wir die Beteiligten (Gebärende, Partner, Personal) dann nicht vorher flächendeckend und/oder regelmäßig zum Antikörpertest? Sicherlich haben sich viele davon in den nächsten Monaten mit dem Virus infiziert und stellen so keine Gefahr mehr füreinander dar. Diese könnten laut dem Virologen Christian Drosten im Sommer zur Verfügung stehen.

Eine einheitliche Lösung muss her

Außerdem sollten sich Kliniken auf eine einheitliche Lösung verständigen. Es kann nicht sein, dass Paare kurz vor der Geburt von einer Änderung der Modalitäten in der geplanten Geburtsklinik erfahren und dann innerhalb von kürzester Zeit eine neue Klinik kontaktieren und aufsuchen müssen, in der sie ihre gewünschten Geburtsbedingungen vorfinden. Diese Entwicklung führt zu vielen Sorgen, Unsicherheiten und Stress. Und Stress ist das letzte, was eine Gebärende gebrauchen kann.

Wie geht es Dir mit der Entscheidung der Kliniken keine Geburtsbegleiter mehr zuzulassen? Welche Konsequenzen ziehst Du?

Natürlich ist meine Sicht die einer Gebärenden, da ich selbst kurz vor der Geburt stehe. Medizinisches Personal möge die Situation aus Gründen anders sehen. Dann bitte kommentiert ebenfalls unten!

Weiterlesen

Stellungnahme von Motherhood e.V.: Kreißsaalverbot birgt medizinische Risiken vom 27.03.2020

Coronavirus-Schutz im Kreißsaal: Wenn Papa die Geburt verpasst auf Spiegel Online vom 29.03.2020

Meine beiden Geburten MIT meinem Mann: Warum ich nie wieder einleiten lassen würde und Mein Baby strampelt sich ins Leben

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Comments

    • Katrin Hegedorn
    • 29. Januar 2024
    Antworten

    Ich finde Geburtshilfe viel zu wichtig, als dass man jemanden ausschließen kann. Auch mein Mann war bei der Geburt dabei und auch sehr wichtig für mich. Alleine psychologisch war das eine riesige Erleichterung für mich.

    • Daniela
    • 30. März 2021
    Antworten

    Ich habe beschlossen wegen der Coronapolitik in der Geburtshilfe keine Kinder mehr zu bekommen. Eigentlich hätte ich noch gerne welche gehabt, aber ich habe nun einmal eine Geburt ohne meinen Mann dank Corona erlebt und werde das sicher nicht wiederholen. Ich habe das Gefühl, dass es manchen Menschen auf den Geburtenstationen nur recht ist, dass Männer nun endlich nicht mehr dabei sein dürfen. Allein, wie man mich bei der Anmeldung behandelt, mir gedroht hat, das wusste ich schon, das wird übel, wenn es keine Zeugen gibt. Dass es dann aber so schlimm wird, war mir nicht klar. Ich dachte, ich wäre ein unglücklicher Einzelfall, aber über eine Beratungsstelle habe ich nun schon mehr als zehn Frauen kennengelernt, denen Ähnliches angetan wurde und im Nachhinein wurde einfach alles geleugnet, nachdem es keine Zeugen gab und Frauen unter der Geburt ja grundsätzlich als unzurechnunsgfähig abgetan werden, kann man schwer beweisen, was passiert ist. Aber einmal bei Bewusstsein aufgeschnitten zu werden, ohne dass die Spinale wirkt, die Schnitte, die Schmerzen, das Ausräumen und dieses furchtbare Mittel, dass die Gebärmutter zusammenzieht, all das zu spüren, zu schreien, zu betteln, man möge mich bitte in Narkose legen mit einem Haufen Ärzten, die meinen, ich solle nicht übertreiben und nachher Schwestern, die alle so taten als wäre das doch super, weil man ja den ersten Schrei des Kindes gehört hat. Den habe ich nicht gehört, ich kann mich an mein Kind überhaupt nicht erinnern, denn ich war damit beschäftigt selbst um Hilfe zu schreien und zu versuchen vom Tisch loszukommen, auf dem man mich fixiert hatte. Ich würde keiner Frau empfehlen ohne Mann eine Geburtenstation zu betreten. Eher sterbe ich, bevor ich noch einmal in ein Krankenhaus gehe. Schon jetzt gibt es ein, zwei medizinische Behandlungen, die ich machen müsste, aber unterlasse, weil ich allein gehen müsste und das nach dieser Horror-OP nicht kann. Ist mir egal, ob ich an den Folgen versterbe. Solange es keine Begleitpersonen für Krankenhäuser gibt, werde ich keines mehr betreten. Nie wieder.

  1. Antworten

    Ich finde die Entscheidung, Geburtsbegleiter auszuschließen auch mehr als fragwürdig. Aus den gleichen Gründen wie du. Mein Mann war bei der Geburt der Großen (am Ende) dabei. Sie GI g so rasend schnell, dass sie schon fast vorbei war bis er kam… Aber da hatte ich aufgrund der Rasang auch immer eine Hebamme an der Seite. Bei Kind zwei hatte ich eine Doula engagiert, weil mein Mann bei der Großen bleiben musste. Ohne die Doula weiß ich nicht wie ich das überstanden hätte. Ich wünsche also allen werdenden Mamas, dass sie nicht sich selbst überlassen werden!

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