Warum mein Mann die Geburt beinahe verpasst hätte, ob ich dank Hypnobirthing so entspannt war, wie ich es geübt hatte und warum ich wieder blaue Arme habe. In diesem Geburtsbericht erzähle ich euch, wie meine dritte Geburt in der Klinik zur Coronazeit verlief.
Meine dritte Geburt habe ich mir von Anfang an sehr oft vorgestellt. Diesmal wollte ich das Ruder übernehmen und selbstbestimmt in der Klinik meinen Sohn gebären. Denn die erste Geburt war eine Einleitung mit Cytotec und da ging so einiges schief und auch bei der zweiten Geburt gab es noch Verbesserungspotenzial meinerseits.
Vorzeichen der Geburt
Schon viele Wochen begleiteten mich Senkwehen – mal stärker mal schwächer. Ich war mir wie auch bei meinem zweiten Kind sicher, dass er sich von allein und vor dem errechneten Termin (ET) auf den Weg machen würde.
Am Tag 39+1, also 6 Tage vor ET, wachte ich morgens auf und hatte das Gefühl, dass ich die ganze Nacht Wellen (= Bezeichnung für Wehen im Hypnobirthing) hatte. Irgendwas war jedenfalls anders. Ich fühlte mich komisch. Meinen Mann ließ ich trotzdem erstmal zur Arbeit fahren. Ich ging duschen und wollte die Kinder so schnell wie möglich ausgehbereit machen, bevor sich mein Zustand in Richtung Geburt ändern würde.
Die Dusche tat mir überhaupt nicht gut. Bereits nach einer Stunde holte ich meinen Mann zurück nach Hause und aktivierte die möglichen Babysitter sich bereitzuhalten. Ich hatte bisher keine schmerzhaften oder regelmäßigen Wellen – nur so ein Gefühl.
Ich freute mich über jede Welle
Den weiteren Vormittag verbrachte ich im Garten. Dort wandelte ich bei leichtem Regen herum und freute mich über jede Welle. Ich hörte meine Entspannungsmusik und kreiste das Becken gestützt am Apfelbaum. Ich habe noch mit unserer Nachbarin geschwatzt als ich die erste intensivere Welle wahrnahm. Endlich! Aber ob wir unser Kind heute noch oder doch erst nächste Woche in den Armen halten würden, war mir in diesem Moment überhaupt nicht klar.
Als der Regen stärker wurde, ging ich rein und legte mich ins Bett. Doch nach einiger Zeit merkte ich, dass die Wellen bei zuviel Entspannung weniger wurden. Also entschied ich mich, die Geburt aktiv ins Rollen zu bringen und verabredete mich zu einem Geburtseinleitungsspaziergang.
Ein Spaziergang mit Folgen
Gegen 13.30 Uhr starteten wir mit dem Spaziergang. Es ging gut bergauf. Bereits seit vielen Wochen war ich nicht mehr so unterwegs gewesen. Es war wirklich anstrengend für mich. Als wir 15 Uhr zurück zu Hause waren, musste ich mich erstmal setzen. Doch relativ schnell bemerkte ich regelmäßige Wellen, die in immer kürzer werdenden Abständen auftraten. 17 Uhr rief ich meine Mama an, damit sie die Kinder abholt, denn die Abstände waren bereits bei 5 Minuten. Die Wellen selbst habe ich konzentriert wahrgenommen, veratmen musste ich sie aber noch nicht.
Eine weitere Stunde später war es mir aber auch nicht mehr ganz geheuer und wir machten uns auf den Weg in den Kreißsaal. Beim dritten Kind weiß man ja nie. Und im Auto wollte ich keine Schmerzen aushalten müssen.
Jetzt ist Geburt!
18.18 Uhr hing ich bereits am CTG und der Muttermundbefund wäre für eine Erstgebärende vielleicht ein Grund gewesen, sie wieder nach Hause zu schicken. Für mich waren die 1-2 cm aber bedeutungslos. Ich wusste, ich gehe nicht mehr ohne Kind nach Hause. Jetzt ist Geburt und ich freute mich dermaßen!
Woher ich die Uhrzeiten noch so gut weiß? Mein Mann musste wegen der Coronaauflagen draußen warten und anhand unseres Chatverlaufes kann ich den Ablauf der Geburt sehr gut nachvollziehen.
Nach dem ersten CTG wanderte ich durch den Raum, machte Fotos und hielt meinen Mann und die Familie auf dem Laufenden. Immer, wenn eine Welle kam, stützte ich mich irgendwo ab. Hin und wieder setzte ich mich auf den Ball oder das Bett. Zwischendurch fing ich sogar an zu tanzen vor Freude (wie ich es mal in diversen Video bei anderen Gebärenden gesehen hatte) und sprach mit meinem ungeborenen Sohn. Ich war so motiviert, fühlte mich unglaublich stark und gut vorbereitet, das heute zu rocken.
Der nervige Vorbereitungsmarathon
Gegen 19.30 Uhr holte mich die Ärztin zu sich ins Zimmer. Sie wollte nochmal einen Ultraschall machen. Auf dem Rücken liegend, hielt ich die Wellen nur sehr schwer aus. Sie erklärte dem Studenten in einer Seelenruhe, wo der Magen des Kindes liegt und schätzte das Geburtsgewicht unseres Kindes auf 3500 Gramm. Sie sollte massivst daneben liegen, aber dazu gleich mehr.
Flexüle legen in 3 Akten
Anschließend wollte man mir eine Flexüle legen. Ich war nicht begeistert. Ganz oben auf meinem Zettel zur Geburt stand, dass ich einen Zugang nur dann gelegt bekommen möchte, wenn er medizinisch indiziert ist und auch dann nur am rechten Unterarm. Die Ärztin begründete diesen Schritt damit, dass man bei Drittgebärenden immer 6 IE Oxytozin gibt, damit es keine Probleme bei der Plazentalösung bzw. keine größeren Blutungen gibt. Na gut, ich willigte ein.
Der Student stach mir also ins rechte Handgelenk und fand – kein Blut. Anschließend stach er mir in die linke Ellenbeuge, zu der ich ihn noch einmal vorwarnte, dass sie suboptimal ist. Das bemerkte er dann auch und holte die Ärztin. Während der ganzen Prozedur musste ich übrigens intensive Wellen veratmen. Es ahnte ja keiner wie wenig Zeit noch bis zur eigentlichen Geburt war und so hatten alle eine scheiß Ruhe.
Die Ärztin legte die Flexüle dann ins rechte Handgelenk. Schon bei der ersten Geburt wurde ich komplett zerstochen.
COVID-19 Test
Nun dachte ich, dass ich den Vorbereitungskram hinter mir hatte und endlich gebären kann, kam die Hebamme mit einem COVID-19 Abstrich-Set ins Zimmer. In der Wellenpause rammte ich mir also noch ein riesiges Wattestäbchen in Hals und Nase und spülte und spuckte eine Lösung in einen Becher. Jetzt aber los, denn die Wellen wurden immer kräftiger und kamen im Abstand von nicht mal 3 Minuten!
Zurück im Kreißsaal
Als ich 20.15 Uhr zurück im Kreißsaal war, einigten wir uns noch schnell auf einen Einlauf. So wollte die Hebamme die Geburt weiter verstärken. Sie ahnte ja nicht, wie schnell es dann plötzlich gehen würde. Ich brauchte zwar keine weitere Verstärkung der Wellen, wusste aber um die Vorteile des Einlaufs während der Austreibungsphase und natürlich im frühen Wochenbett.
Als dann „alles raus“ war, wurde ich wieder ans CTG gelegt. Nach dem Muttermund wollte sie gar nicht schauen. Ich fragte die Hebamme dann nach meinem Mann und wann sie ihn zu mir reinlassen würde. Sie wollte gerade mit mir darüber diskutieren, dass „wegen der Coronaauflagen ein Fortschritt im Geburtsverlauf erkennbar sein müsse“, als ich wegen einer weiteren Welle in mich kehrte und nicht mehr zuhörte. Also ging sie und holte ihn.
Kurz nach 21 Uhr kam mein Mann in den Kreißsaal. Ich lag ich auf der Seite am CTG und mir war plötzlich danach meine Sachen auszuziehen. Auch wollte ich nochmal zur Toilette. Dort wurden die Wellen dann nochmal intensiver. Als ich zurück auf dem Kreißbett lag und man mir das CTG wieder anstöpselte, wurde ich richtig fuchsig. Ich wollte nicht mehr liegen, die CTG-Kabel nervten mich massivst und so sprang ich auf meine Knie und lehnte mich über das aufgestellte Kopfende des Bettes. Sofort bezog mein Mann seinen neuen Platz am Kopfende und ergriff meine Hand.
Übergangsphase
Die Wellen schoben das Kind nun durch das Becken. Ich sagte der Hebamme, dass es nach unten schiebt und sofort bereitete sie alle Instrumente im Hintergrund vor. Mit der nächsten Welle wollte sie den Kreißsaal verlassen, doch ich rief, dass es nach unten drückt und das Kind nun kommt. Die Übergangsphase war bereits mit einer Welle abgeschlossen.
Die Hebamme checkte den Muttermund und wollte gerade sagen, dass dieser noch nicht vollständig ist und korrigierte sich mitten im Satz: „Vollständig!“ Die erste Geburtswelle erfasste im gleichen Moment meinen Körper und die Fruchtblase entleerte sich auf das Bett.
Austreibungsphase
Ich spürte wie sich der kindliche Kopf durch meinen Körper nach draußen schob. Die Hebamme leitete mich an zu pressen, doch ich widerstand und ließ meinen Körper und mein Kind dies allein schaffen. Die Intensität war so stark, dass ich keine Notwendigkeit sah, diesen Prozess zu beschleunigen. Ich weiß nicht, wie viele Wellen es brauchte bis der Kopf geboren war, vielleicht 6 oder 7, aber ich schaute dabei nach draußen, kreiste in den Pausen mein Becken und ließ es geschehen. Mittlerweile war es dunkel geworden und ich brüllte bei jeder Welle meine Vorfreude auf unser 3. Kind in die Nacht hinaus.
Diesmal kein Gedanke ans Aufgeben
Ich hatte nicht das Bedürfnis diese Situation möglichst schnell zu beenden. Natürlich tat es höllisch weh und mein ganzer Körper drohte zu sprengen, aber ich hatte riesiges Vertrauen, dass alles gut laufen würde. Ich konzentrierte mich auf meine Atmung und freute mich auf jede Wellenpause, um mich zu erholen. Bis zu diesem Zeitpunkt hat mich mein Hypnobirthing-Wissen getragen. Ich wusste, ich musste nur 2 Mal tief ein- und ausatmen, die Welle also konsequent „beatmen“, dann ist sie wieder vorbei und geschafft.
Zu keinem Zeitpunkt der Geburt wollte ich aufhören, lieber nach Hause gehen (was ja viele Frauen sagen), lieber sterben oder dass jemand etwas tut, dass dieser Zustand endlich vorbei ist. Ich weiß, wie sich diese Gedanken anfühlen können: Bei meiner ersten Geburt wollte ich tatsächlich an einem Punkt aus dem Fenster springen und lieber sterben als weiterzumachen. Auch bei meiner zweiten Geburt habe ich mir zu diesem Zeitpunkt einfach nur gewünscht, dass es aufhört.
Becken kreisen und weiteratmen
Ich wusste, dass der Kopf geboren war und kreiste mein Becken. Dieser Moment, in dem das Kind eine weitere Drehung in meinem Körper machen musste, damit die Schulter und der Rest des Körpers geboren werden kann, ist noch einmal kritisch. Also beließ ich alles wie bisher, entspannte in der Wellenpause und wartete ab. Die Drehung spürte ich nicht, aber nach einer weiteren Welle platschte unser Sohn zwischen meine Beine. 21.47 Uhr.
Übergriffiges Personal und Interventionen
Bis zu diesem Zeitpunkt war ich recht zufrieden mit den Hebammen, die zwischendurch gewechselt hatten. Sie haben mich komplett mein Ding machen lassen und sich zurückgehalten. So wollte ich das. Den Oxytozintropf im Anschluss an die Geburt hat man noch mit mir besprochen. Dass 10 Minuten nach der Geburt die Hebamme auf meinem Bauch herumdrücken und von mir verlangen würde zu pressen aber nicht.
Ich wollte nicht mitmachen. Ich wollte die Plazenta ohne weitere Interventionen gebären und drückte gegen die Hand der Hebamme auf meinem Bauch. Sie sollte mich in Ruhe lassen. Meine Körpersprache, meine Mimik war eindeutig, doch aussprechen konnte ich es in diesem Moment nicht. Ich hatte ja auch noch mein Kind auf dem anderen Arm. 22.10 Uhr wurde die Plazenta geboren. Super schnell also.
„Aktiv geleitete Nachgeburtsphase“ schimpfte sich diese von mir nicht gewollte Intervention. Das las ich auf dem Abschlussbericht. Im Nachhinein möchte ich die Hebamme dafür boxen. Warum macht man das? Kann man da mehr bei der Krankenkasse abrechnen!? Wollen die schnell fertig werden?
Meine Nachsorgehebamme sah dafür in meinem Fall keine medizinische Notwendigkeit. Im Gegenteil dieser Eingriff erhöhe ihrer Meinung nach sogar die Wahrscheinlichkeit von schweren Blutungen. Naja. Kam zum Glück nicht so…
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Ich hatte das bei beiden Geburten, dass die Hebamme schnellst möglich die Plazenta wollte. Beim ersten Mal war mir das ganz egal. Da ist zuvor viel schlimmeres passiert und ich hab es kaum wahrgenommen.
Beim zweiten Mal war es mir unangenehm. Ich konnte einfach nicht mehr pressen. So als hätte ich plötzlich verlernt, welcher Muskel es ist. Die Hebamme hat nicht gedrückt, sondern mich nur zu einer Atemtechnik angeleitet. Ich verstehe, warum. Ich hatte in der Schwangerschaft immer wieder Blutungen und auch während der Geburt kam zuerst Blut und dann Köpfchen, was ungewöhnlich sein kann und auf eine Gefahr hindeuten kann.
Ich denke, die Motivation ist bei den Hebammen in deinem Fall dieselbe: Wenn die Plazenta da ist und vollständig und keine starke Blutung einsetzt, ist es geschafft. Auch für das Personal. Das ist natürlich ein Punkt, den sie schnell erreichen wollen. Verständlich, trotzdem sch…