Hannas Hausgeburt beim zweiten Kind

Hannas Hausgeburt

Diana hat vor wenigen Wochen ihr drittes Baby zur Welt gebracht. Im Krankenhaus, aber sehr selbstbestimmt, wie ich finde. Ihren Geburtsbericht zu lesen, hat in mir sofort Erinnerungen geweckt. An die Geburt meines zweiten Sohnes vor mehr als 14 Monaten. Wie ähnlich und doch ganz anders diese zweite Geburt zuhause von der meines ersten Sohnes vier Jahre vorher in einem Berliner Krankenhaus war und warum diese Erfahrung so heilsam für mich war, will ich heute noch einmal Revue passieren lassen.

Von der Krankenhausgeburt zur Hausgeburt

Bei meiner ersten Geburt hatte ich einen sogenannten Wehensturm. So nennt man es, wenn Geburtswehen durch zu viel Oxytocin entweder zu heftig sind, ohne Pause kommen oder beides. Ich würde sagen, bei mir traf beides zu, aber genau kann ich das nicht sagen. Bis zur zweiten Schwangerschaft habe ich mit diesem Phänomen oder warum das bei mir passierte kaum befasst. Erst als der Bauch zum zweiten Mal sichtbar größer wurde, holte mich das Erlebte ein und ich begann, nachzulesen. Ich verstand, dass solch übermäßige Wehen gefährlich für ein Baby werden können und dass mir die Hebamme während der ersten Geburt darum Wehenhemmer hätte verabreichen müssen. Für mich war darum lange klar, dass auch mein zweites Baby in einem Krankenhaus zur Welt kommen würde. Immerhin bestand die Wahrscheinlichkeit, dass sich so ein Wehensturm wiederholen würde.

Eine Hebamme für meine Hausgeburt

Erst ab der zweiten Hälfte der Schwangerschaft keimte in mir ein neuer Gedanke auf. Ich begann, mich mit dem Thema Alleingeburt und selbstbestimmter Geburt zuhause zu befassen. Las verschiedene Bücher. Am meisten weitergebracht hat mich „Meisterin der Geburt“ von Jobina Schenk*. Plötzlich sagte mein Bauchgefühl, ein ganz anderer Weg sei für mich der richtige: Eine Hausgeburt. Ich befasste mich eingehend mit den Vorteilen und Risiken von Hausgeburten und befragte auch meine Nachsorgehebamme, eine alte Schulfreundin. Sie bestätigte mir, dass eine Hausgeburtshebamme im Fall der Fälle ebenfalls wehenhemmende Medikamente dabei hätte und mich ins Krankenhaus bringen lassen würde, sollte mein Baby in Gefahr sein.

Ich war schon in der 26. SSW, als ich wie durch ein Wunder eine Hebamme für meine Hausgeburt fand. Ich hatte nicht viel Hoffnung, denn in unserem Umkreis auf dem Land gibt es genau eine Hebamme, die Hausgeburten betreut. Die war natürlich bereits voll. Doch sie empfahl mir eine Hebamme aus einem Ort etwa 85 km entfernt – die tatsächlich zusagte! Die Fahrzeit von über einer Stunde nahm sie trotz ihrer 60 Jahre in Kauf. Denn, so ihre eigene Aussage, sie kämpfe dafür, dass die Wahlfreiheit des Geburtsortes für Frauen nicht vom Wohnort abhängig werde.

Im Einklang mit mir und meinem Baby

Meine erste Schwangerschaft war im Prinzip völlig komplikationslos. Trotzdem war ich damals ständig voller Sorgen, Zukunftsängste und Angst vor der Geburt. Diesmal, in meiner zweiten Schwangerschaft, waren die Voraussetzungen eigentlich viel schlechter. Die Übelkeit in den ersten Monaten war allumfassend gewesen und hatte bis SSW 17 nicht aufgehört. Dafür fingen gleich in der 18. SSW leichte Blutungen an, die bis zur Geburt immer wieder auftraten. Randsinusblutung lautete der Fachbegriff. Das bedeutet, meine Plazenta, die sehr tief lag, riss am Rand immer wieder ein. Auch eine Plazenta Praevia drohte zeitweise. Und als wäre das alles nicht genug, lag mein Baby bis zwei Tage vor der Geburt in Querlage. Körperlich ging es mir in dieser Schwangerschaft selten gut. Insgesamt waren vielleicht drei Wochen dabei, in denen ich mich richtig bewegen konnte und fit war. Sonst war meist Bettruhe angesagt.

Positiv denken

Doch keiner dieser Umstände konnte mich wirklich verunsichern. Während der Lektüre verschiedener Bücher war mir eines ganz klar geworden: Es gibt keine Garantie und keine Sicherheit, dass mein Baby gesund zu mir heraus kommt und dann bei mir bleibt. Nicht zuhause, nicht in ständiger Überwachung im Krankenhaus. Wenn dieser kleine Mensch aus irgendeinem Grund diese Welt wieder verlässt, dann kann ich das nicht beeinflussen. Was ich aber sehr wohl beeinflussen kann ist, wie ich unsere gemeinsame Zeit wahrnehme und verbringe. Sollten diese Wochen mit dem kleinen Sonnenschein im Bauch alles sein, was uns beiden geschenkt wird, so würde ich zumindest diese positiv und in Verbindung mit meinem Baby verbringen wollen. Dieser Gedanke gab mir immer Halt.

Ich war in dieser Schwangerschaft, trotz der ungünstigen Bedingungen, so zufrieden wie selten und hatte das Gefühl, fest mit meinem Baby verbunden zu sein.

Hausgeburt trotz Querlage?

Viele denken jetzt bestimmt, es sei verrückt so ein Risiko einzugehen. Eine Hausgeburt trotz Blutungen. Tatsächlich war ich einige Male im Krankenhaus zur Überwachung und dort bestätigte mir die Ärztin, dass für mich kein erhöhtes Risiko für eine Plazentaablösung während der Geburt bestehe. Auch die Hausgeburtshebamme mit vielen Jahrzehnten Erfahrung sah kein Problem. Und die Querlage war nur so lange problematisch, bis sich der Kleine mit dem Kopf nach unten drehte. Vorher hätte eine Hausgeburt ohnehin nicht stattfinden können und ich hätte einen Kaiserschnitt gebraucht.

Natürlich war diese Vorstellung furchtbar. Aber wenn ich ganz ruhig in mich hineinhörte und mich fragte, warum er sich nicht mit dem Kopf nach unten dreht, so bekam ich eine recht deutliche Vermutung: Der Druck des Köpfchens würde wahrscheinlich recht unmittelbar Geburtswehen bei mir auslösen. Die Ärztin dachte da zwar anders, aber am Ende war es genau so. Er drehte sich, es setzten Schmerzen ein und zwei Tage später war er da.

Hausgeburt in SSW 36+0

Ich war in der 36. SSW (35+6), als ich am frühen Morgen wach wurde und leichte Wehen hatte. Genauso hatte damals beim ersten Kind auch die Geburt angefangen. Nur war mir damals sofort klar, dass das Geburtswehen waren, denn sie waren so viel schmerzhafter als die Übungs- und Senkwehen. Außerdem war ich damals schon bei SSW 40+1 gewesen. Diesmal verwarf ich den Gedanken wieder. Wahrscheinlich nur recht regelmäßige Übungswehen. Im Laufe des Tages setzte wieder eine ganz leichte, helle Blutung ein. Nicht schon wieder, dachte ich. Dem Baby ging es gut, das spürte ich.

Wann geht es los?

Die fast schmerzlosen Wehen blieben. Die Blutung auch. Also fuhren wir am Abend wieder ins Krankenhaus, um die Blutung abklären zu lassen. Wie jedes Mal. Es wurde ein Ultraschall gemacht und ein CTG, das regelmäßige Wehen aufzeichnete. Weiterhin dachte ich nicht, dass die Geburt beginnen würde. Die Ärzte und Hebammen auch nicht. Sie konnten diesmal nicht sagen, woher die Blutung kam. Ausnahmsweise nicht von der Plazenta, das war eine gute Nachricht. Außerdem schätzte der Arzt mein Baby auf 3500 g und meinte, es wäre absolut kein Problem, sollte er nun zur Welt kommen. Trotzdem schickte er mich nach Hause. Seiner Meinung nach würde es noch dauern. Ein paar Tage vielleicht. Oder auch Wochen?

Auf dem Nachhauseweg rief ich meine Hebamme an und schilderte die Situation. Sie sagte, sie würde kommen, wenn ich der Meinung sei, die Geburt würde anfangen. Ich war nicht der Meinung. Erst gegen 11 Uhr abends, als die Wehen stärker wurden, war ich der Meinung, es würde vielleicht doch bald los gehen. Sie sagte, sie würde sich bald auf den Weg machen. Wenige Minuten später platzte meine Fruchtblase und ich verlor unheimlich viel Fruchtwasser. Genau wie damals beim ersten Baby im Krankenhaus. In etwa zur selben Uhrzeit. Und genau wie damals kamen danach die Wehen schlagartig heftig und häufig. Das liegt vermutlich daran, dass abgehendes Fruchtwasser die körpereigene Oxytocinausschüttung sehr stark anregt. Eine sinnvolle Einrichtung der Natur, dass die Geburt schnell vorangeht, wenn die schützende Fruchtblase geplatzt ist. Eine weniger gute Einrichtung der Natur für Frauen wie mich, die grenzwertig viel Fruchtwasser haben und es darum schwallartig und literweise verlieren.

Und wieder der Wehensturm

Ich schaffte es gerade noch ins Wohnhaus gegenüber, wo wir das Geburtszimmer eingerichtet hatten. Mein Mann rief die Hebamme an, die sich nun beeilte. Bei mir passiert zunächst genau das, was ich von der ersten Geburt kannte: Der Schmerz überrollte mich. Jede Art der Geburtsvorbereitung, Entspannungsübungen, mentales Training wie Hypnobirthing, alles war hinfällig. Denn all das beruht auf der Annahme, dass eine Frau während der Geburt kurze Verschnaufpausen zwischen den Wehen hat und sich fokussieren kann. Alles, was in meinem Kopf war, war der Schmerz. Meine ganze Energie war darauf ausgerichtet, auszuhalten. Mein Körper zitterte und schwitzte. Ich klammerte mich an eine Kommode, wollte nicht sprechen und mich nicht bewegen. Es war zu viel. Wieder. Wie damals. Alles nur Schmerz. Keine Selbstbestimmung, nur alles überrollender Schmerz. Kaum eine Verschnaufpause. Wenn eine Wehe abflachte, baute sich die nächste bereits auf.

Für mich war klar, die Hebamme würde mir nur die Spritze geben, damit ich überhaupt transportfähig war, und dann den Krankenwagen rufen. Wenn sie denn endlich kam, die Hebamme. Es dauerte. So lange. Aushalten.

Den Schmerz wegtönen

Und dann kam der Wendepunkt. Ich fand einen Ausweg, einen völlig ungeplanten. Ich machte einen leisen, brummenden Ton. Und plötzlich war da etwas anderes, worauf ich mich fokussieren konnte. Etwas anderes als der Schmerz, auch wenn der natürlich immer noch da war. Ebenso stark. Aber nun war da auch der Ton. Mmmmmmmmmmmh. Ich wurde lauter. Aus dem leisen Brummen wurde ein richtiges Tönen. Laut, mit jeder Welle ansteigend und leiser werdend. In den Pausen – ja, da waren nun tatsächlich kurze, wahrnehmbare Pausen von etwa 20-30 Sekunden! – flachten sie zu einem leisen Wimmern und Jammern ab. Ich konnte kurze Worte mit meinem Mann wechseln. Einmal sogar zur Toilette gehen. Gedanken fassen. Dann wieder Tönen. Schmerz. Übermäßiger Schmerz. Aber Schmerz mit Pausen.

Dann kam die Hebamme. Sie lächelte, als sie mich sah. Dachte nicht im Traum an Wehenhemmer oder Krankenhaus. Sie dachte an das Baby, dem es offenbar sehr gut ging und das bald da sein würde. Ich hätte schon viel geschafft meinte sie. Einfach weiter so. Ich hatte viel geschafft? Ganz alleine! Ohne Medikamente. Ohne Anleitung, ohne Hebamme. Ich. Aus eigener Kraft. Im Krankenhaus hätte ich längst aufgegeben. Aber zuhause, alleine, hatte ich gezeigt, was ich kann. Einen Wehensturm selbst in den Griff bekommen. Den Schmerz wegtönen. Pausen sein lassen. Ein Kind zur Welt bringen.

Er ist da!

Es dauerte keine Stunde, bis er tatsächlich unter mir lag. Der kleine Sonnenschein. Im Vergleich zur ersten Phase war die Austreibungsphase fast angenehm. Ich konnte bewusst wahrnehmen. Spürte, wie der Kleine im Bauch mitarbeitete. Wie er sich mit den Füßen in meinem Bauch abstieß, Ruck für Ruck. Ich spürte, wie er im Geburtskanal sein Köpfchen drehte. Wie wir ihn Wehe um Wehe weiter zu uns brachten.

Und dann lag er da. Unter mir. Zwischen meinen Beinen. Er atmete nicht, die Hebamme musste ihn mit einem Röhrchen anpusten. Mein Mann hatte Sorge. Ich nicht einen Augenblick. Ich wusste, dass alles in Ordnung ist mit ihm. Er brauchte nur einen Moment, um anzukommen. Bei mir. Als er tief Luft holte und zu weinen begann, nahm ich ihn hoch und legte ihn auf meinen Bauch. Ich selbst nahm ihn. Nicht wie damals die Hebamme bei meinem ersten Baby. Ich legte mich mit ihm ins Bett und gab ihn erst einmal nicht wieder weg.

Der nächste Morgen

Nach wenigen Stunden Schlaf wurde ich wach. Die Sonne schien hell auf unser Bett, es war ein warmer Morgen Ende Mai. Die Vögel zwitscherten. Mein neugeborener Junge schlief neben mir, eng an mich gekuschelt. Mein Mann schlief neben uns auf einer Matratze auf dem Boden. So viel Friede habe ich selten empfunden. Ja, Friede. Dieses Wort beschreibt das Gefühl wahrscheinlich am besten. Völlig ungestört konnte ich diesen ersten Morgen mit meinem schlafenden Neugeborenen genießen. Noch heute stehen mir Tränen in den Augen, wenn ich mich in dieses Gefühl zurück denke.

Warum diese Geburt heilsam war

Diese Geburt war nicht, was ich mir gewünscht hatte. Ich hatte mir eine bewusste, „schöne“ Geburt gewünscht. Ich hatte so gehofft, normale Wehen erleben zu dürfen. Richtige Pausen. Die Geburt meines zweiten Baby bewusst erleben zu dürfen. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Vieles war ähnlich der ersten Geburt – nur eben mit einem anderen Ausgang. Und genau dieser Ausgang macht für mich den Unterschied. Die Erfahrung, aus eigener Kraft alles in Ordnung bringen zu können, ist unglaublich stärkend. Ich muss nicht „entbunden werden“. Ich konnte mein Baby selbst zur Welt bringen.

Gleichzeitig hat dieser Verlauf mir gezeigt, dass ich beim ersten Mal nichts „falsch“ gemacht habe. Der Wehensturm ist nicht entstanden, weil ich mich zu wenig vorbereitet oder entspannt hatte oder für den falschen Geburtsort entschieden hatte. Mein Körper neigt eben zu sehr viel Fruchtwasser, vorzeitigen Blasensprüngen – und Wehenstürmen. Das kann ich nicht verändern. Aber ich kann verändern, wie ich damit umgehe. Und ich kann trotzdem ohne Interventionen ein gesundes Baby zur Welt bringen.


Über die Autorin: Ich bin Hanna (*1985) und schreibe unter anderem auf Mutterinstinkte.de über Familien- und Frauenthemen. Ich freue mich, wenn Du mal vorbei schaust!

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Hannas Hausgeburt beim 2. Kind trotz Komplikationen in der Schwangerschaft in der 37. SSW

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