Herbert Renz-Polster sucht in seinem Buch „Erziehung prägt Gesinnung“ Verbindungen zwischen einer autoritären Erziehung und Kindheit und der späteren politischen Einstellung eines Menschen. Wie er vorgeht und welche zentralen Erkenntnisse er fand, stelle ich in dieser Rezension vor.
WARUM?
Gleich zu Beginn des Buches zeigt der Autor Herbert Renz-Polster, welche Bedeutung er der Kindheit ganz allgemein zukommen lässt. Es geht nicht nur das Erlernen eines „seelischen Maßstabs“, sondern vor allem um die Erfahrungen im „menschlichen Miteinander.“ Er stellt die zwei Extreme Macht und Überlegenheit und Vertrauen und Zusammenarbeit gegenüber. (S. 10)
Mithilfe von Studien und Statistiken zur Demographie verdeutlicht er, dass es für eine rechtspopulistische Gesinnung keine „bedrängte oder gar verelendete Massen braucht“. AfD-Anhänger sind weder ärmer noch schlechter gestellt – ganz im Gegenteil. (S. 19) „Es braucht keine Not, um Furcht zu säen.“ (S. 23)
Was bringt also Menschen aus gut situierten Verhältnissen mit zum Teil hohen Bildungsabschlüssen dazu, Menschen aus anderen Ländern aufgrund ihrer Religion, Herkunft oder ihres Kleidungsstils zu verachten?
Was bringt sie dazu Arme und Schwächere (auch in Deutschland) zu verurteilen?
Wieso bietet ein solcher Mensch nur ganz bestimmten Menschen seine Hilfe an?
Warum verunglimpfen Anhänger des Rechtspopulismus Tausende von Klimaforscher als Lügner? Wieso stellen sie den Klimawandel als ganzes in Frage?
WARUM?
Was eine autoritäre Erziehung mit dem Klimawandel zu tun hat
Der Autor hat auf Letzteres eine überraschende Antwort: „Ob jemand an den Klimawandel glaubt oder nicht, hat nichts mit dem Wissenshintergrund oder der persönlichen Erfahrung zu tun – sondern vor allem mit der politischen Einstellung.“ (S. 27)
Um das zu verstehen, sollte man sich die Definitionen von Rechtspopulismus und Autoritarismus näher anschauen. Der Kern des Rechtspopulismus ist nämlich genau der Autoritarismus. Dieser beschreibt die Neigung von Menschen, „sich in ein System von Befehl und Gehorsam einzugliedern, und gleichzeitig diejenigen abzuwerten“, die diesem System nicht angehören. (S. 31)
Und hier liegt der zentrale Ansatzpunkt für zum Beispiel das Abstreiten des Klimawandels. 17.000 Klimaforscher sind eben kein autoritäres System, sondern verschiedene Menschen mit einer Meinung, aber keiner gemeinsamen Ideologie oder Führerpersönlichkeit. Sie werten mit ihren Forschungen weder Menschen ab, die sich nicht für den Klimawandel interessieren, noch fordern sie Gehorsam für ihre Erkenntnisse ein. Sie verfolgen ihre Ziele mithilfe eines demokratischen und aufklärerischen Prozesses. Und das passt so gar nicht in das Weltbild von Rechtspopulisten.
Das Beispiel USA
Herbert Renz-Polster hat mit seiner Familie viele Jahre in den USA gelebt. Er hat sowohl das politische System, aber auch die Gesellschaft als ganzes live mitverfolgt. Daher nehmen die USA und speziell Donald Trump in seinem Buch neben den europäischen Gesellschaften eine wichtige Rolle ein.
Laut seiner Aussagen sind die Verbindungen von autoritärer Erziehung und der späteren rechtspopulistischen Gesinnung in den USA besonders auffällig. Man kann die strengen Erziehungsmethoden in den einzelnen Bundesstaaten mit politischen Landkarten übereinanderlegen und findet erschreckende Parallelen.
Was ich zum Beispiel selbst nicht wusste und auch niemals für möglich gehalten hätte und mich unfassbar wütend und traurig macht, ist, dass in den USA die Gewaltbereitschaft gegenüber Kindern so hoch sei. Drei Viertel der 3 bis 11-Jährigen US-amerikanischen Kinder gaben an, im letzten Monat von ihren Eltern geschlagen worden zu sein. Bei einem Drittel davon sogar mit einem Gegenstand. In der Hälfte der Bundesstaaten sei es nach wie vor erlaubt, in Schule Gewalt gegen Kinder anzuwenden. (S. 40)
USA – ein „reiches“ Land?
Für mich unfassbar, dass im „reichsten“ Land der Erde Kinderrechte so mit Füßen getreten werden. Zurecht kann man die Frage stellen, an was dieses Land so „reich“ sein soll? Bei Frühgeburtlichkeit, Säuglingssterblichkeit, sexuellem Missbrauch, Kindesmisshandlung, Drogenkonsum schneidet es nämlich kaum besser ab als viele Entwicklungsländer.
Renz-Polster schließt diese traurige Gewissheit mit dem Statement ab: „An Eigennutz, Konkurrenz und persönlicher Überlegenheit ausgerichtete soziale Systeme schaffen unglückliche, streitsüchtige und wenig liebenswürdige Völker. Es ist nicht der materielle Reichtum einer Gesellschaft an sich, der Menschen freundlich miteinander und mit ihren Kindern umgehen lässt, sondern ihr soziales und moralisches Kapital. Und dieses ist selbst in manchen unendlich reichen Gesellschaften äußerst knapp.“ (S. 226)
Autoritäre Erziehung in Deutschland
Und in Deutschland mag sich jetzt der/die Leser/in fragen? Gibt es einen ähnlichen Zusammenhang zwischen autoritärer Erziehung, Gewalt und der Gesinnung? Laut Herbert Renz-Polster, ja!
Darüberhinaus gibt aber der Autor auch unserem Bildungssystem die „Schuld“. Seiner Meinung nach findet die deutsche Kindheit nur noch unter der „Aufsicht von speziell geschulten Erwachsenen“ statt, „die ihnen beim Erwerb von Bildungszertifikaten behilflich sind, sie nach ihrer Eignung in der modernen Wettbewerbskette benoten und an das nächste Glied der Bildungskette weiterreichen.“ (S. 150)
Frühkindliche Bildung
Diese entmutterte und beschleunigte Kindheit gleiche einer pädagogischen Planwirtschaft. Dabei bieten Einrichtungen zur Fremdbetreuung laut Studien nicht allen Kindern die gleichen Chancen: „Säuglinge und Kleinkinder, bei denen das soziale Bindegewebe zu Hause nicht kräftig genug ist, können vom Besuch in Einrichtungen profitieren, wenn dort besondere Anstrengungen für eine bindungsgerechte Begleitung geleistet werden.“ (S. 198)
Diese vorteilhaften Bedingungen finden sich laut NUBBEK-Studie aber nur bei 3% der Krippen, 5% der Tagespflegeeinrichtungen und 7% der Kitas. Allerdings 7% der Tagespflegestellen, 10% der Kitagruppen und 12% der Krippengruppen verfügen über keine ausreichende Qualität. Hier gilt also der umgekehrte Fall: Kinder sind in diesen Einrichtungen tatsächlich eher Entwicklungsrisiken ausgesetzt. Dies sind umso deutlicher ausgeprägt, je länger die Kinder dort hingehen und je öfter sie dort sind. (S. 198)
Wie wichtig die Qualität der frühkindlichen Bildung ist, zeigen neuere Studien, die der Autor zitiert. So fand man heraus, dass sich „die politische Orientierung eines Menschen bereits voraussagen lässt, wenn wir gerade gelernt haben, die Kerzen auf dem Kuchen alle auszupusten, nämlich im Vorschulalter.“ (S. 102)
Die Verantwortung für eine respektvolle, tolerante, soziale, demokratische und freiheitliche Gesinnung liegt also nicht nur bei den Eltern, sondern vor allem auch bei Pädagogen, Betreuern und der Qualität von Bildungseinrichtungen.
Was macht eine autoritäre Erziehung mit Kindern?
Bei der Beantwortung dieser Frage hilft Herbert Renz-Polster sicherlich, dass er Kinderarzt ist. So kann er biologische und psychologische Grundlagen besser verstehen und eigene Worte finden. Er erwähnt, dass Anhänger rechtspopulistischer Haltungen in Tests z.B. auf plötzliche, laute Geräusche oder bedrohliche Bilder stärker reagieren.
„Tatsächlich spricht manches dafür, dass bei Anhängern rechtspopulistischer Haltungen das Stresssystem stärker aktiviert ist – sie befinden sich sozusagen in einem beständigen, unterschwelligen Alarm- und Bedrohungsmodus.“ (S. 56) Auch ekeln sie sich schneller und haben eine stärkere Angst vor Krankheiten. Der Autor begründet dies mit der frühen Sauberkeitserziehung in autoritären Gesellschaften.
Elisabeth Wehling fasst die autoritäre Erziehung so zusammen: „Als Kind erfahren wir das erste Mal, was es bedeutet „regiert“ zu werden.“ (S. 91) Und laut Renz-Polster ist der Autoritarismus eine lebenslange Abhängigkeit von genau diesem Regiertwerden und „eine nachwirkende Sozialisationskrise“ als „Folge und Spiegel einer Kindheit, in der Kinder keine eigene emotionale Sicherheit haben aufbauen können.“ (S. 106)
Und nun? Empfehlungen des Autors
Gerade nach der vergangenen Europawahl ist es schwer, aber Herbert-Renz-Polster empfiehlt, dass wir nicht jede Provokation von rechts ernst nehmen und zum Kern der politischen Debatte machen sollten. Wir sollten uns stattdessen lieber um die sozialen und ökologischen Fragen kümmern.
In dem wir das „menschliche“ Land verteidigen, würden wir der AfD ohnehin das Wasser abgraben. Er sieht darin eine gesellschaftliche Herausforderung für alle.
Auch unserem Bildungssystem gibt er einen Tipp: Die Schule muss ihren Ausleseauftrag endlich abschütteln. Stattdessen soll Schule bei der Persönlichkeitsbildung unterstützen, politische Bildung gewährleisten und Chancengerechtigkeit bieten. (S. 242)
Und für alle Rechtspopulisten mit einer großen Angst vor dem Islam liefert er auch ein Gegenargument:
„Ein Kulturraum, der das Christentum allmählich zivilisiert hat, wird auch für den Islam ein modernes Gewand finden.“
(S. 252)
Mein Fazit zum Buch
Wenn ich solche Bücher lese und lerne, dass es noch Menschen gibt, die solche Erkenntnisse veröffentlichen, dann habe ich wieder Hoffnung für unsere Gesellschaft. Ich lebe im Osten und nicht erst seit der Europawahl fühlt es sich hier und da an wie Dunkeldeutschland.
Mögen das Buch möglichst viele Menschen lesen und die Kindheit und die Erziehung ihrer Kinder unter einem anderen Aspekt reflektieren. Denn ich bin davon überzeugt, dass eine autoritäre Erziehung unseren Kindern schadet!
Stattdessen möchte ich meinen Kindern beibringen, dass wir demokratisch in der Familie und in der Gesellschaft am besten friedlich und respektvoll miteinander leben können.
Infos zum Buch:
Autor: Herbert Renz-Polster
Verlag: Kösel Verlag
Seitenzahl: 320
Hardcover
Erscheinungsdatum: 25. März 2019
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Finde das Thema sehr interessant, und ich würde mich gerne von neuen innovativen Ideen inspirieren lassen.
Ich möchte gerne mehr zu den wichtigen Thema erfahren.
Ich finde die verschiedenen Aspekte rund um das Theme Erziehung sehr interessant und ich würde mich freuen, wenn ich die Chance hätte, dieses Buch zu lesen.
ich finde das thema sehr interessant und würde gern mehr dazu lesen
Ich möchte gewinnen,w eil mich das Thema Erziehung / autoritäre Erziehung schon seit der Schulzeit interssiert, als wir Referate darüber halten mussten.
Gerne würde ich unter Zuhilfenahme der von dem renommierten Kinderarzt und Familienexperten Herbert Renz-Polster publizierten literarischen Gesellschaftsanalyse in Erfahrung bringen, inwieweit differente Erziehungsstile kulturübergreifend das politische Bewusstsein ihrer Empfänger zu prägen vermögen!
Finde das einfach ein wichtiges Thema und es auch wichtig sich damit auseinanderzusetzen.
LG