Warum wir keine Kita-Pflicht brauchen

Dicke Freunde

Immer mal wieder wird diskutiert, ob wir eine Kita-Pflicht brauchen. Vor allem im Berliner „Problembezirk“ Neu-Kölln wird dieser Vorschlag regelmäßig hervorgebracht. Ich habe mich mit der geforderten Kita-Pflicht auseinandergesetzt und eine klare Haltung!

Was ist eigentlich eine Pflicht?

Eine Pflicht ist etwas, das getan werden muss, was von einem verlangt oder erwartet wird. Es gibt eine Menge Pflichten: die Anwesenheitspflicht, die Aufsichtspflicht, die Kennzeichnungspflicht, die Schulpflicht oder die Schweigepflicht.

Jede Pflicht ist ein von Menschenhand geschaffener Zwang, der in der Regel durch Gesetze sichtbar gemacht wird. Eine Pflicht ist kein Naturgesetz. Wir kommen nicht auf die Welt, um uns anzuschnallen, eine Versicherung abzuschließen oder zum Militär zu gehen.

Wann braucht es eine Pflicht?

Eine allgemeine Pflicht sollte meiner Meinung nach immer dann notwendig sein, wenn der überwiegende Teil der Bevölkerung nicht von selbst auf die „tolle Idee“ kommt, es zu tun. Oder würdest Du freiwillig Steuern zahlen? Oder würden alle Kinder einfach so mit 6 Jahren in die Schule gehen? Diesem Pflicht-Konzept wird ein im positiven Sinne väterlich agierender Staat unterstellt. Das heißt, es besteht eine vormundschaftliche Beziehung zwischen Herrschendem und Beherrschtem.

Was ist eine Kita-Pflicht?

Eine Kita-Pflicht soll Eltern von Kindern ab einem bestimmten Alter zwingen, einen Kindergarten für eine bestimmte Anzahl an Stunden pro Woche zu besuchen.

Ein Problem bei der Einführung einer solchen Pflicht ist die Zuständigkeit. Für die Kindertagesstätten oder die Kindertagespflege sind die Kommunen zuständig. Bildung hingegen ist in Deutschland Ländersache. Wer ist also zuständig? Kommune oder Land? Und kann man auf Stadtebene eine derartige Pflicht überhaupt durchsetzen? Man denke an die vielen Pendler, die auf dem Land wohnen und in Städte fahren zum arbeiten. Sorgt das nicht für Verwirrung?!

Bisher gibt es die Kita-Pflicht in keiner Stadt und keinem Bundesland.

Was mich an der Idee einer Kita-Pflicht stört

Die Ziele einer Kita-Pflicht sind nicht klar.

Manche Politiker fordern sie um die Deutschkenntnisse und allgemeine Integration von Kindern mit Migrationshintergrund zu fördern. Laut Bildungsbericht 2018 besuchten 2017 rund 20% der unter Dreijährigen mit Migrationshintergrund eine Kita. Bei Kindern ohne Migrationshintergrund traf das auf 40% zu.
Bei den Drei- bis unter Sechsjährigen war der Unterschied kleiner: 84% der Kinder mit Migrationshintergrund nahmen einen Betreuungsplatz in Anspruch, während 98% der Kinder ohne Migrationshintergrund einen Kindergarten besuchten.

Wo hingegen die einen eine Kita-Pflicht fordern, erklären andere, dass Kindertageseinrichtungen mit besserem Personal und Finanzen ausgestattet werden sollten.

«Die Kitas brauchen mehr Personal und die Erzieherinnen und Erzieher mehr Zeit für Sprachförderung und individuelle Förderung der Kinder und auch für Elternarbeit. Je früher diese Förderung ansetzen kann, desto größer sind die Chancen, dass diese Kinder in der Grundschule keine Probleme haben»

Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)

Grundsätzlich soll mit der Einführung einer Kita-Pflicht ein kleiner Teil der Bevölkerung erreicht werden. Zum Beispiel Kinder mit Migrationshintergrund, die sonst bis zum Schulbeginn keinen Kindergarten besuchen würden und gleichzeitig schlecht integriert sind oder mangelnde Deutschkenntnisse aufweisen.

Man unterstellt, dass es Kindern bei ihren Eltern zu Hause schlechter geht als in einer fremden Umgebung.

An dieser Stelle wird es für mich ja schon fast kriminell. Mit der Einführung einer Kita-Pflicht unterstellt man ja indirekt ALLEN Eltern, dass sie sich selbst nicht so gut um ihre Kinder kümmern könnten wie gelernte/studierte Pädagogen. Diese Art der Bevormundung suggeriert, dass die Kinder in einer fremden Umgebung besser aufgehoben und Eltern ohne pädagogische Vorbildung unfähig sind.

Exkurs: Bei der Schulpflicht kann dieses Argument sicherlich nicht angebracht werden. Oder kannst Du sämtlichen Stoff von der 1. bis zur 12. Klasse vermitteln.

Ich frage die Politiker, die eine Kita-Pflicht fordern:

Warum müssen dann aber gleich alle in die Pflicht genommen werden?

Warum kann man dann nicht andere Angebote gemacht werden? Zum Beispiel Deutschkurse für Kinder oder die Mütter, die die Kinder mit Migrationshintergrund zu Hause behalten, in Arbeit bringen?

Warum werden ALLE Familien in einen Topf geschmissen, wenn es doch nur um sehr wenige geht?

Wie weit soll das gehen? Gibt es dann bald auch eine Hortpflicht?

Trauen die Kita-Pflicht fordernden Politiker den Familien gar nichts mehr zu, dass sie lieber gleich alle Eltern derartig bevormunden wollen?

Wie viel Zeit darf ich eigentlich noch mit meinem Kind verbringen?

Wieso bekommt man eigentlich noch Kinder, wenn man schlimmstenfalls nur noch maximal 3 Jahre Vollzeit mit ihnen verbringen darf und sie danach in ein „System“ geben muss?

Zur Erinnerung: Am Anfang habe ich gesagt, dass ich eine Pflicht sinnvoll finde, wenn ohne sie nicht der Großteil der Bevölkerung auf die Idee kommen würde. Hier geht es aber nicht um den Großteil, sondern um einen „Problembezirk“ oder eine Bevölkerungsgruppe, die sicherlich auch Gründe für ihr Verhalten hat.

Welches Interesse hätte der Staat an einer Kita-Pflicht?

Hinter der Forderung nach einer Kita-Pflicht müssen noch mehr Gründe stecken. Es werden nicht nur die Kinder mit Migrationshintergrund und schlechten Deutschkenntnissen sein.

Ich vermute, dass man sich erhofft, dass mehr Mütter in Erwerbstätigkeit gebracht werden können. Diese dann zu Steuerzahlern werden und so die Steuereinnahmen erhöht werden können.

Geht es also wirklich um die Kinder? Würden diese Frauen dann arbeiten, wenn die Kinder nicht zu Hause wären oder gibt es für die Nichterwerbstätigkeit und Teilzeitarbeit von Müttern ganz andere Gründe? Kosten Kita-Plätze nicht auch viel Geld? Rechnet sich diese Idee also wirklich?

Ich bin dagegen eine Kita-Pflicht einzuführen, denn Kinder brauchen vollmundige, mitdenkende Eltern, denen die Erziehungsarbeit und Wertevermittlung nicht gänzlich abgenommen wird. Denn andere Werte und Erziehung führen zu mehr Vielfalt und Toleranz in unserer Gesellschaft! Wir müssen nicht alles gleich machen, denn es ist nicht alles gleich!

Statt eine Kita-Pflicht einzuführen, sollte man unter anderem lieber

  • die „kitafreien“ Eltern fragen, WARUM sie ihre Kinder lieber selbst betreuen und dann da ansetzen und Verbesserungen schaffen.
  • die Qualität der Betreuung erhöhen. Eventuell wollen dann mehr Eltern ihre Kinder in Kitas geben.
  • Deutschkurse für Kinder mit Migrationshintergrund und Flüchtlinge anbieten.

So viele Fragen!

Du siehst also, die Einführung einer Kita-Pflicht ist mit so vielen Fragen verbunden, um noch einige mehr zu nennen:

  • Wie soll so eine Pflicht durchgesetzt werden?
  • Welche Strafen stehen bei Missachtung?
  • Wo sollen denn die ganzen Kita-Plätze plötzlich herkommen?
  • Wenn es eine Kita-Pflicht gäbe, wo wären dann meine Rechte bezüglich der Kita? Platzwahl? Qualität? Konzept? Mitbestimmung? Kostenfrei? Qualitativ hochwertiges Essen? Flexible Bedingungen?

Was denkst Du über eine mögliche Kita-Pflicht? Bist Du vielleicht sogar dafür? Wenn ja, warum?

 

Quellen

Bildung in Deutschland 2018
GEW fordert mehr Geld
FAZ

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