Achtsamkeit und Bedürfnisorientierung ist in aller Munde. Lange habe ich mich gefragt, was es damit auf sich hat. Nun habe ich 5 einfache Prinzipien formuliert, die Dir erklären, was achtsame Eltern anders machen.
Beziehung ist der Schlüssel
Achtsame Eltern verändern ihre Einstellung gegenüber ihrem Kind. Sie versuchen eine starke Verbindung, eine Beziehung, herzustellen. Mit einer schwachen Verbindung wird es schwer. Das ist wie Zähneputzen mit einem Keks im Mund. Frustrierend eben.
Ein Kind versucht permanent eine Verbindung zu seinen Eltern aufzubauen: Es stellt Fragen. Es sucht den Blickkontakt im Spiel. Achtsame Eltern lassen dies zu, auch wenn gerade eine wichtige E-Mail beantwortet werden muss. Sie verschieben die Kuscheleinheiten nicht auf einen „besseren Moment“, zum Beispiel am Abend. Denn sie wissen, dass starke Beziehungen jeden Tag, in jedem Moment, ein Stückchen mehr aufgebaut werden. Und so tanzen sie gemeinsam durch das Wohnzimmer, machen Quatsch beim Zähneputzen oder zeichnen mit Ketchup einen Smiley auf ihr Toast.
Für achtsame Eltern sind alle Emotionen willkommen
Achtsame Eltern akzeptieren, dass auch negative Emotionen erwünscht sind. Sie senden damit eine sehr starke Botschaft: Kinder dürfen negative Gefühle haben, sollten nun aber davon nicht überrollt werden, sondern lernen mit den Gefühlen umzugehen.
Wut oder Traurigkeit sind zwar im Prinzip negative Gefühle, sollten aber nicht vermieden oder als schlecht bewertet werden. Nur durch die aktive Auseinandersetzung bekommen Kinder einen Einblick in ihr Innerstes und entwickeln eigene Strategien mit deren Umgang.
Aktiv können sich Kinder mit ihren Gefühlen auch durch Selbstgespräche beschäftigen. Hier zeige ich Dir, um was es sich dabei handelt und warum positive Selbstgespräche so wichtig für das Selbstvertrauen Deines Kindes sind.
Neurowissenschaften
Achtsame Eltern kennen die biologischen Grundlagen der Hirnentwicklung bei Kindern und berücksichtigen sie:
- Das menschliche Gehirn entwickelt sich schon in der Gebärmutter und reift bis zum Alter von etwa Mitte 20.
- Die Hirnentwicklung ist abhängig von den Erfahrungen, die es macht. Das bedeutet, das jeder ein absolut einzigartiges Gehirn besitzt, das sich durch die persönlichen Erlebnisse mit seinen Eltern und Umständen entwickelt.
Achtsame Eltern wissen, dass das Gehirn die ersten Jahre noch eine große Baustelle ist. Das Gehirn von kleinen Kindern ist besonders gut im Überlebensmodus ausgeprägt, der Grundbedürfnisse wie Hunger und Müdigkeit regelt. Sie haben hingegen noch keinen Zugang zu schwierigeren kognitiven Fähigkeiten wie dem Planen oder logischem Denken und sie besitzen nur ein sehr beschränktes Verständnis ihrer eigenen Gefühle.
Bis all diese Funktionen stärker entwickelt sind, braucht es Zeit und Erfahrungen. Daher sind kleine Kinder leichter überfordert, was zu Trotzanfällen oder Unstimmigkeiten führen kann.
Als achtsame Eltern können wir im Hinterkopf behalten, dass dies entwicklungsbiologisch völlig normal ist und verstehen, dass wir darauf mit besonders viel Verständnis und Empathie reagieren sollten. Das hilft den Kindern zu lernen, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen können.
Jedes Verhalten ist Kommunikation
Das vierte Prinzip von achtsamen Eltern mag etwas gewöhnungsbedürftig sein. Es geht darum, dass auch ein „unartiges Kind“ im Grunde nur kommuniziert, was es in diesem Moment braucht. Das trifft vor allem auf jüngere Kinder zu, deren verbale Kommunikation noch nicht so stark entwickelt ist. Aber auch ältere Kinder und sogar Erwachsene! kommunizieren hin und wieder auf diese Art.
Jeder kennt das Beispiel des hungrigen oder müden Kleinkinds, das plötzlich die halbe Wohnung auf den Kopf stellt oder weinend Spielzeug um sich wirft. Es kann sein Bedürfnis nach Essen nicht adäquat ausdrücken und muss darauf hoffen, dass wir Erwachsenen verstehen, was in Wirklichkeit mit ihm los ist. Und wenn dann ein kleiner Imbiss verputzt wurde, geht es ihm auch schon wieder besser und die Welt ist wieder in Ordnung.
Die Kunst im achtsamen Umgang liegt darin, kleinste Signale und damit im Zusammenhang stehende Bedürfnisse zu erkennen, bevor das Verhalten droht zu eskalieren.
Dies nennt man auch Bedürfnisorientierung und steht im Gegensatz zu vielen anderen Erziehungsmethoden, in denen kleine Auszeiten genommen oder Strafen angedroht werden. Das bedeutet nicht, dass es bei bedürfnisorientierter Erziehung keine Grenzen gibt, aber die Anwendung ist eine andere.
Für achtsame Eltern ist weniger ist mehr
Das letzte Prinzip vom achtsamen Umgang mit Kindern besteht in der Vereinfachung vom Leben der Kleinen. Die Welt dreht sich immer schneller und wir alle – auch die Kinder – werden mit Informationen bombardiert. Studien zeigen, dass uns eine größere Auswahl nicht glücklicher macht, es überfordert uns eher.
Ein normaler Haushalt besteht heute aus zwei arbeitenden Eltern und die Kinder gehen mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine Einrichtung. Kinder haben immer weniger unverplante Freizeit und verbringen weniger Zeit in der Natur als jemals zuvor. Tatsächlich haben Kinder heute aber fast unbegrenzten Zugang zu Unterhaltung wie Fernsehen oder Apps. Das mag erstmal nichts negatives an sich sein.
Moderne Erziehung steht jedoch vor der Herausforderung einen weniger überfordernden, langsameren Weg mit weniger Ablenkungen im Einklang mit dem natürlichen Rhythmus des Kindes zu finden. Nur so kann sich das Kind der Hauptaufgabe seiner Kindheit widmen: der Entwicklung eines starken Ichs.
Und dieses gesunde, soziale und emotionale Ich entwickelt sich vor allem durch einen Alltag, der durch enge Beziehungen, die Möglichkeit für freies Spiel und dem Üben von neuen Fähigkeiten durch Wiederholung geprägt ist.
Dieses Prinzip zeichnet sich aus durch
- weniger (Spiel-)Zeug,
- weniger Aufgaben und Tagesplanung und
- weniger Zeit vor dem Fernseher oder Computer.
Diese Grundsätze erläutere ich auch im Artikeln zum Minimalismus als Familie oder wie Du durch Deine Kinder zum Minimalisten wirst.
Was hältst Du von diesen Prinzipien? Findest Du sie nachvollziehbar? Setzt Du einige schon (unbewusst) um?
Übrigens sind achtsame Eltern auch achtsam mit sich selbst. Beachte auch Dich und Deine Bedürfnisse. Wie Du mit Achtsamkeit besser einschlafen kannst, zeige ich Dir hier.
Meine Buchempfehlungen
Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn: Der entspannte Weg durch Trotzphasen*
Dieses Buch hat mir sehr geholfen mein Kind in für mich schwierigen Situationen zu verstehen und ruhig zu bleiben. Eine Pflichtlektüre für Eltern mit kleinen Kindern.
So viel Freude, so viel Wut: Gefühlsstarke Kinder verstehen und begleiten – Mit Einschätzungsbogen*
Noras Buch gibt es auch als Hörbuch. Hier findest Du meine Rezension.
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Hallo Diana , wenn ich deinen Artikel lese habe ich direkt schlechtes Gewissen bei all dem Malen wo ich vor meinem Kind mit dem Handy beschäftigt war . Ansonsten lebe ich deine Tipps schon so wie du es beschreibst !
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Hey Diana,
vielen Dank für den tollen Beitrag.
Besonders interessant finde ich an deinem Artikel die Info/den Tipp das jedes Verhalten Kommunikation ist. Von dem Standpunkt aus habe ich tatsächlich noch nie Betrachtet und auch in den meisten anderen Medien gibt es die verschiedensten Lösunen wie du es ja schon bemerkt hast. Ich werde da auf jeden Fall mal drauf achten wenn ich Kinder um mich habe. 🙂
Hey Dennis,
sehr gern.
Freut mich, dass Du was für Dich mitnehmen konntest.
Alles Gute für Dich!
Diana
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Hey, habe mich in den Prinzipien sehr wiedergefunden und unterbewusst schon viel in diese Richtung gedacht.
LG
Hi Pia,
Ja so ging es mir auch. Daher habe ich es – auch für mich – mal zusammengefasst und Mithilfe der Infografik kann ich es mir immer mal wieder in Erinnerung rufen.
In stressigen Zeiten finde ich es nicht immer leicht, achtsam miteinander umzugehen.
Liebe Grüße,
Diana
Für uns selbstverständlich. Danke für aufschreiben.
Lg aus Norwegen
Ina
Ich bin irgendwie ne andere Generation und vieles was heute als Innovation in der Kindererziehung durch alle Medien geistert ist für mich total normal, vielleicht weil ich noch anders groß wurde in den 70ern und finde das war gut wie es war und versuche das meinen Kindern auch zu geben, weniger ist mehr, aber klare Struktur und was ich noch praktiziere nicht nur mit Kindern muss man achtsam umgehen, auch Kinder sollten das bei ihren Eltern beherzigen (okay, meine Große ist in der Pubertät, da bin ich eh der Prellbock)