„Es wird ein Junge“, ist meine Antwort auf die Frage, welches Geschlecht unser Drittgeborenes haben wird. Ganz selbstverständlich kommen mir diese Worte über die Lippen. „Wenn ich groß bin, möchte ich Tierpflegerin werden“, stellt meine große Tochter nach dem letzten Tierparkbesuch fest.
Diese beiden Sätze stehen in keinem Zusammenhang. Sie haben aber eine Sache gemeinsam, mal davon abgesehen, dass sie in der gleichen Woche ausgesprochen wurden: sie sind im Futur formuliert.
Warum mir achtsame Sprache so wichtig ist
Schon während mein Twitterpost über das Geschlecht und die nun aufkommende Namenswahl hochgeladen wird, ärgere ich mich. Mein Sohn WIRD kein Junge. Er IST längst ein Junge. Es ist völlig unangebracht, diesen Satz in diesem Tempus zu schreiben.
Diese Genauigkeit in meiner Formulierung mag auf den ein oder anderen befremdlich und pedantisch wirken, aber unsere Worte führen zu Bildern in unseren Köpfen und diese führen zu einem handeln.
Im Beispiel meiner Tochter wird es deutlicher. In dem wir Kinder fragen, „was sie mal WERDEN möchten“, untergraben wir, was sie bereits SIND.
Kinder leben im hier und jetzt. Sie können sich ein Leben als Erwachsene nur schwer vorstellen, erst recht nicht, wie viel Zeit bis dahin noch vergehen muss und was sie bis zu diesem Zeitpunkt alles erleben werden.
Als meine Tochter also (ungefragt) feststellt, dass sie Tierpflegerin werden möchte, wenn sie erwachsen ist, gebe ich ihr zu bedenken, dass sie sich jetzt schon um Tiere kümmern kann bzw. dies bereits tut.
„Wie denn?“, will sie wissen.
Ich gebe ihr also Beispiele, um zu untermauern, dass sie bereits gut zu Tieren ist. Zum einen passt sie jetzt schon auf, dass kein Plastik ins Meer oder unsere Umwelt gelangt, in dem sie ihren Müll immer anständig entsorgt. Zum anderen kann sie sich im Tierheim um die kleinen Wesen kümmern, wenn sie möchte. Eine Idee, die wir schon öfter hatten, aber noch nicht in die Tat umgesetzt haben.
„Ich BIN eine Tierschützerin!“, stellt sie am Ende unserer Unterhaltung stolz fest. „Ja, das BIST Du!“
Absolute und relative Aussagen
Wenn wir uns also auf das SEIN unserer Kinder konzentrieren, erhöhen wir ihren Selbstwert in der Gegenwart und vertrösten sie nicht auf einen Zustand in der Zukunft.
Aber auch hier gilt Vorsicht: achtsame Sprache bedeutet auch absolute von relativen Aussagen zu unterscheiden.
Ein Beispiel: Das Kind hat sich von oben bis unten beim Essen eingesaut und das Elter kommentiert dies mit „Du BIST ein kleines Schweinchen.“ Was vielleicht lieb gemeint ist und niedlich klingt, ist allerdings eine Wertung, der sich das Kind nicht mehr entziehen kann. Der Erwachsene hat sein Urteil abgegeben.
Besser wäre es, den Satz so zu formulieren, dass das Verhalten des Kindes erwähnt wird: „Du isst wie ein kleines Schweinchen.“ Dann kann das Kind sein Verhalten in Zukunft ändern und zum Beispiel wieder wie ein Mensch essen, wenn es das möchte.
Fazit
Ich werde auch in Zukunft auf eine achtsame Sprache mit meinen Kindern achten und wenn nötig andere um mich herum für das Thema sensibilisieren, weniger das Kind selbst, sondern dessen Verhalten zu bewerten. Dann hat es eine Chance dieses zu verändern und fühlt sich weniger angegriffen. Uns Erwachsenen geht es da ja nicht anders…
Und auf die Frage, was es WIRD, antworte ich von nun an: Es IST ein Junge 😉
Wie geht es Dir damit? Achtest Du bereits darauf, wie Du mit Deinen Kindern sprichst? Kommen Dir manchmal ähnliche Sätze über die Lippen?
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