Ein Film, der polarisiert: „Elternschule“

Ein Film, der polarisiert: Elternschule

Kinder würden die Eltern mit ihren Strategien „weichkochen“. In der Elternschule der Kinderklinik Gelsenkirchen erklärt Dietmar Langer überforderten Eltern den „richtigen“ Umgang mit ihren Kindern. Die Herangehensweise ist zurecht umstritten.

Worum geht es im Film?

Im Film werden mehrere Familien durch die mehrwöchige, stationäre Therapie der psychosomatischen Klinik Gelsenkirchen begleitet. Es wird sowohl die Krankheit des Kindes als auch das gesamte Beziehungsgeflecht der Familie unter die Lupe genommen.

Im Vordergrund des Films steht die Arbeit des Psychologen und Psychotherapeuten Dietmar Langer. Er leitet die „Elternschule“ und möchte Eltern, die Probleme mit ihren Kindern haben, anleiten und stärken. In Seminaren lernen die Eltern den in seinen Augen angemessenen Umgang mit ihren Kindern.

Die Eltern im Film sind meist mit ihren Kindern sehr überfordert und suchen in der „Elternschule“ nach Hilfe. Eine Mutter äußert sogar, dass sie ihr Kind in eine Pflegefamiie geben würde, wenn die Behandlung keinen Erfolg hat. Ein großer Druck, der auf dem ganzen Personal lastet. 

https://vimeo.com/286332518

Warum ist der Film umstritten?

Im Film werden Auszüge aus Langers Vorträgen gezeigt, die er den betroffenen Eltern hält. So erklärt er ihnen, dass Kinder überfordert seien, sich selbst zu begrenzen. Wenn ein Erwachsener eine Grenze aufzeige, würde das Kind diese einem Belastungstest unterziehen: Das Kind wolle herausfinden, ob dies eine zuverlässige Grenze oder nur eine Laune des Erwachsenen sei. Diese Herangehensweise und auch Langer äußert dies im Film selbst häufig, unterstellt, dass Kinder strategisch handeln.

Zum Teil sind die Kinder während dieser Vorträge anwesend. Oft wird in deren Anwesenheit über sie und ihr Verhalten gesprochen. Außerdem erklärt der Film die Therapieansätze kaum. Sogar die Kinder fragen einmal nach dem Sinn einer Maßnahme.

Wo ist die Liebe?

Am ganzen Film, an allen 117 Minuten, stört mich persönlich die mangelnde Hingabe der Eltern und des Personals. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt: Wo ist die Liebe? Die Eltern sind scheinbar kaum noch in der Lage, ihren Kindern ehrliche Aufmerksamkeit und Liebe zu schenken. Sie sind überfordert. Aber das Personal könnte die Kinder durchaus anders behandeln. Oft wird mit den Kindern gar nicht gesprochen, was zwar im Film erklärt wird, aber doch sehr den gängigen Hinweisen zur Kommunikation mit Kindern widerspricht. Die Kinder werden regelrecht ignoriert. Sie werden auch sehr viel festgehalten.

Oft weinen die Kinder bei den Untersuchungen und es fehlt der liebevolle Umgang. Das Personal ermutigt die Eltern nicht, die Kinder nach den Untersuchungen auf den Arm zu nehmen und zu trösten. Die Kinder sollen funktionieren. Es scheint, als sollen sie regelrecht ausflippen, damit man deren volles „Krankheitsbild“ erkennen kann. In diesen Szenen hatte ich Mitleid mit den Kleinen und hätte den Film am liebsten abgeschaltet.

Als es im Film um die Trennungssituation ging, konnte ich dies kaum noch aushalten. Die Kinder wurden in der „Mäuseburg“, dem Kindergarten der Einrichtung, abgegeben. Es gab keine Eingewöhnung und die Kinder wurden einfach liegen und schreien gelassen. Sie sollten scheinbar gebrochen werden. Langer sagt an einer Stelle, die Kinder würden die Eltern „weichkochen“ wollen. So etwas mag man als Eltern vielleicht manchmal denken, aber sowas kann doch kein Psychologe in so einer fragilen Situation Eltern erzählen. Abartig.

Wo ist die Anerkennung?

Die Umgangsweise der psychosomatischen Einrichtung widerspricht sämtlicher Bedürfnisorientierung, die zur Zeit in einer wachsenden Zahl von Familien und Betreuungseinrichtungen Anwendung findet. Ich finde es erschreckend und gefährlich, wenn Kindern und Eltern permanent erklärt wird, dass das Verhalten der Kinder unangemessen und falsch ist. Dass die Kinder eben nicht okay sind, wie sie sind.

Offener Widerstand gegen den Film

Es gibt eine Petition, die die Ausstrahlung des Films verhindern soll. Über 8.000 Menschen haben die Petition unterschrieben. Was diese Petition bewirken wird, ist mir nicht bekannt.

Natürlich sehen das nicht alle so

Die Berliner Zeitung wirbt unkommentiert für das Erziehungscoaching. Haben die den Film überhaupt gesehen?!

Die ZEIT hält ihn für einen Kunstgriff. Echt jetzt? Hier mehr.

Was kann man dennoch aus dem Film lernen?

Mit der Antwort auf diese Frage tue mich wirklich schwer. Ich lerne aus diesem Film, dass noch nicht alle Institutionen nach Bedürfnisorientierung arbeiten und, dass ich niemals in die Kinderklinik in Gelsenkirchen gehen würde. Das wirft einfach ein derartig schlechtes Licht auf die Klinik.

Ich hoffe nach dem Film erfolgt ein Umdenken und die Klinik bekommt Druck, ihre Methoden und Praktiken der Würde und den Bedürfnissen der Kinder anzupassen.

Der Film „Elternschule“ startete am 11. Oktober in den deutschen Kinos.

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Der Film wurde mir vorab zur Rezension zur Verfügung gestellt. Von einer Verlosung von Kinokarten sehe ich an dieser Stelle ab. Hier muss wirklich jeder selbst entscheiden!

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Tags: journal

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Comments

  1. Pingback: "Schreikind": Erfahrungsbericht einer bedürfnisorientierten Therapie - zweitöchter

  2. Antworten

    Liebe Isa, im Trailer kommt tatsächlich null rüber, was der Film eigentlich zeigen will. Das finde ich sehr schade. LG

    • Meine Eltern-Zeit
    • 16. Oktober 2018
    Antworten

    Danke für die differenzierte Rezension!
    Liebe Grüße, Anne

    • Isa
    • 16. Oktober 2018
    Antworten

    Ich kenne den Film auch nicht. Habe mir aber eben den Trailer angeschaut. Ich verstehe aber nicht ganz, was das Problem ist..

  3. Antworten

    Ich habe den Film auch nicht nicht gesehen – und wenn ich ehrlich bin, habe ich sogar noch nicht mal etwas von ihm gehört 😉 ich werde mir zumindest mal den Trailer anschauen.

  4. Antworten

    Ich habe den Film nicht gesehen und mir (weil ich da sehr emotional und sensibel bin) noch nicht mal den Trailer angesehen ? mir reichen die Berichterstattung bzw. die kritischen Kommentare in meiner bedürfnisorientierten Internetbubble. Schrecklich.

    Selbst Astrid Lindgren hat es 1939 schon erkannt. Warum ist es bloß in den Köpfen so vieler Menschen noch nicht angekommen?

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