Krankenhaus. Das ist schon so ein schwieriger Begriff. Das Wort allein ist schon recht bedrohlich für kleine Kinder. Als wir wussten, dass mein Mann die Woche vor Weihnachten dort verbringen wird, machten wir uns Gedanken, wie wir es den Kindern erklären.
Die Große (3 1/2 Jahre) kennt das Krankenhaus: Zum einen von unseren letzten unerfreulichen Ausflügen in die Kindernotaufnahme, aber vor allem, weil ihr Papa dort arbeitet und sie des Öfteren dorthin mitgenommen hat. Also verbindet sie mit diesem Ort viele Gänge und Menschen, Essen in der Mensa, aber vor allem Zeit mit ihrem Papa.
„Was erzählt ihr den Kindern?“
Die Kleine ist 1 Jahr. Sie bekommt vom Krankenhausaufenthalt nichts mit. Der Großen erzählen wir, dass Papa die ganze Woche arbeitet. Ja, wir lügen sie an. Das mag kein erzieherisch kluger Schritt an sich sein, soll sie aber vor dem Übel schützen, so lange es eben noch geht. Die Woche ist überschaubar. Wir müssen uns keine Sorgen machen, sie auf nichts vorbereiten. Nach der OP wird (hoffentlich) alles wieder sein wie vorher.
Ja, wir lügen sie an. Das mag kein erzieherisch kluger Schritt an sich sein, soll sie aber vor dem Übel schützen, so lange es eben noch geht.
Die Entscheidung zu lügen war für mich reine Abwägung. Was ist schlimmer?
Szenario 1: Sie wird ihren Papa hilflos im Bett liegend, verkabelt und mit einem Verband (im Gesicht!) neben anderen unbekannten Männern sehen. Er wird sie nicht hochheben, nicht mit nach Hause kommen können. Ich weiß, dass sie all das gut überstehen würde, aber Szenario 2 erscheint mir einfach angenehmer.
Szenario 2: Sie ist mit ihrer Mama und ihrer Schwester zu Hause wie immer, geht in den Kindergarten und wird abends von mir ins Bett gebracht. Sie denkt, ihr Papa ist arbeiten, so wie er auch ab und zu für sein Studium ein paar Tage unterwegs ist.
Was soll im Gedächtnis bleiben?
Mit ihren dreieinhalb Jahren festigen sich jetzt gerade ihre allerersten Erinnerungen. Frühere Erinnerungen sind recht ungewöhnlich. Jedes Ereignis, ob positiv oder negativ, das von der Norm abweicht, kann nun dauerhaft im Gedächtnis bleiben. Das weiß ich leider aus eigener Erfahrung.
Meine frühe Kindheitserinnerung
Eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen ist tatsächlich eine solche: meine Mama musste Weihnachten wegen eines durchgebrochenen Blinddarms notoperiert werden. Wir Kinder verbrachten daraufhin Weihnachten bei unserer Oma. Uns war nicht klar wie ernst es um sie stand, aber ich habe durchaus mitbekommen, dass etwas überhaupt nicht stimmte. Wir haben sie nicht im Krankenhaus besucht. Daran hätte ich mich definitiv erinnert.
Wo ist Mama? Warum ist Mama nicht da? An Weihnachten? Welche „richtigen“ Antworten hätte es da gegeben?
Selbst 25 Jahre später redet keiner gern davon, denn es war knapp, verdammt knapp. Diese Situation war für alle Beteiligten schwer und wir Kinder hätten es nicht im Ansatz verstehen können. Wo ist Mama? Warum ist Mama nicht da? An Weihnachten? Welche „richtigen“ Antworten hätte es da gegeben? Vor allem weil sie sich stündlich hätten ändern können. Ich bin im Nachhinein froh, dass mein Vater das ganze Thema uns gegenüber ausgeblendet hat. Keiner mag Krankenhäuser und Krankheit, aber ich kann nicht sagen, dass ich davon Spuren davongetragen habe. Mein Bruder ist 3 Jahre älter. Wie das bei ihm ankam, ist schon wieder ein andere Sache.
Dürfen die Kinder den Angehörigen im Krankenhaus besuchen?
Wenn Angehörige im Krankenhaus sind, sollten die Eltern immer sorgfältig abwägen, ob sie den Kindern davon erzählen und ob sie sie besuchen. Sicherlich sind viele Faktoren in Betracht zu ziehen. Eine Geburt ist ein freudiges Ereignis. Da sollten Kinder unbedingt einbezogen werden, aber da ist ja auch keiner so richtig krank.
Für mich weitere wichtige Faktoren:
Alter der Kinder
Ab welchem Alter Kinder das Thema Krankheit verstehen, kann ich nicht beantworten, aber jedes Elternteil kann sein Kind bezüglich der Reife einschätzen. Das Alter gibt sicherlich einen Anhaltspunkt, aber es ist nicht ausschlaggebend.
Beziehung des Kindes zum Patienten im Krankenhaus
Hat das Kind eine enge Bindung zum Angehörigen wie die Oma, die jede Woche vorbeikommt, dann kann es durchaus Sinn machen, dass man sie in der 3. Woche im Krankenhaus besucht. Eventuell hat das Kind schon selbst gemerkt, das etwas nicht stimmt und stellt Fragen. Wenn es sich aber um die Großtante handelt, die das Kind nur einmal im Jahr sieht, halte ich ein Wiedersehen ausgerechnet im Krankenhaus für ungeeignet.
Zustand des Patienten
Für uns, aber vor allem für das Kind können die Verkabelungen am Patienten sehr bedrohlich wirken. Ist er nicht ansprechbar oder sogar durch Verbände entstellt, würde ich von einem Besuch mit Kindern gänzlich abraten.
Zustand der Eltern
Außerdem würde ich den Besuch vom seelischen Zustand der Eltern abhängig machen. Sind die Eltern gefasst, können sie den Kindern Halt geben und Fragen ausführlich antworten? Oder sind sie selbst im Schockzustand oder gar trauernd? Dann sollte eventuell ein Seelsorger hinzugezogen werden, der diese Lücke schließen kann.
Zeitpunkt
Abschließend kann der Zeitpunkt ausschlaggebend sein. All diese Aspekte können dazu führen, dass sich Eltern entscheiden, die Kinder außen vor zu lassen. Aber wenn es (vielleicht) die letzte Möglichkeit ist, den Angehörigen zu sehen, dann sollte man die Situation neu betrachten.
Wunsch des Kindes
Zuletzt sollte natürlich der Wunsch des Kindes berücksichtigt werden, denn auch sie können zum Teil mit entscheiden, was gut für sie ist.
Wie siehst Du das? Warst Du sogar schon einmal in dieser Situation? Wie habt ihr euch entschieden?