Alleinerziehende, Vielreisende oder Schichtarbeitende sind nur einige der vielen Bevölkerungsgruppen, für die eine Nachtbetreuung ihrer Kinder in Frage kommen könnte. Dana von KINDheitstRAUM hat in Erfurt eine solche Kinderbetreuung für die Nacht gegründet. Ich habe mit ihr gesprochen.
Ein Interview mit Dana Tippelhoffer, Gründerin von KINDheitstRAUM
Wie ist die Idee der Kinderbetreuung entstanden?
Dana: Die Idee ist vor circa einem Jahr aus meiner eigenen Betreuungsmisere entstanden. Ich bin alleinerziehend von zwei Jungs und meine Familie kümmert sich wenig. Ich wollte mich auch schon immer selbstständig machen. Jetzt als 40-Jährige hinterfrage ich schon mehr „den Rest meines Lebens“. Außerdem kann ich mir gut vorstellen, dass es Gleichgesinnte gibt. Eltern, die in Nachtschichten arbeiten oder viel unterwegs sind, brauchen eine Betreuung außerhalb der Familie.
Meine eigene Sozialisierung
Ich war früher selbst in einer „Wochen-Kita“ in der DDR. Meine Mutter hat damals in Jena studiert und so war ich die ganze Woche durchgehend in der Kita – von montags bis freitags. So bin ich sozialisiert. Zugegeben habe ich damals Bindungsprobleme mit meiner Mutter gehabt, aber das war eben die Situation. Und ich plane ja ein ganz anderes Modell.
Die Gründung
Nun arbeite ich seit einem Jahr an der Gründung. Die Wohnung wird gerade umgebaut und Eröffnung ist Mitte November. Heute habe ich erst mit dem Klempner gesprochen, der die sanitären Anlagen umbauen soll.
Wie sieht die Nachtbetreuung aus?
Dana: Ich starte als Gründerin erstmal mit zwei Nächten pro Woche: Freitag und Samstag. Es wird Abendessen und Frühstück für die Kinder geben. Anfangs werde ich die Betreuung auch noch selbst übernehmen. Wenn die Nachfrage dann höher ist, möchte ich das Angebot ausbauen und dann übernehmen eine oder mehrere Fachkräfte die Betreuung.
Die Betreuung findet in einer speziell eingerichteten Wohnung für Kinder von 4 bis etwa 11 Jahren statt.
Gibt es negative Kommentare zu Deiner Idee?
Dana: Das Feedback ist durchweg positiv. Das verwundert mich ehrlich gesagt ein wenig. Ich denke, dass es durchaus Menschen gibt, die dem Konzept skeptisch gegenüber stehen, aber sie halten sich scheinbar mit ihrer Kritik zurück.
Mir ist bewusst, dass es Eltern gibt, die sich keine Nachtbetreuung für ihre Kinder vorstellen können. Auf der anderen Seite sind diese Skeptiker dann eben nicht meine Zielgruppe.
Was kostet die Kinderbetreuung über Nacht?
Dana: Die Betreuung wird stundenweise abgerechnet. Je mehr Stunden gebucht werden, desto geringer ist der Preis pro Stunde. Bei der Preisfindung habe ich mich an den Preisen einer großen Online-Betreuungsplattform orientiert.
Ich werde mit den Eltern einen Betreuungsvertrag machen, in dem auch notwendige Medikamente vereinbart werden. Meine Mitarbeiter sind alle Fachkräfte: z.B. Erzieher und Sozialpädagogen.
Ursprünglich wollte ich generationsübergreifend arbeiten und Rentner und ehemalige Pädagogen für mein Projekt gewinnen. Das ist mir leider nicht gelungen.
Wird Dein Projekt gefördert?
Dana: Leider kaum. Von der GFAW – Gesellschaft für Arbeit und Wirtschaft bekomme ich etwa 1.000€ Fördergeld. Ich habe zwar viele Klinken geputzt, es gab auch viel Interesse, aber es ist nichts draus geworden.
Um in eins der vielen Förderprojekte aufgenommen zu werden, müsste ich den KINDheitstRAUM mit Digitalisierung verbinden und beispielsweise Programmier-Kurse für Kinder anbieten.
Sonst ist es relativ zäh Sponsoren in Erfurt zu finden. Durch die Crowdfunding-Kampagne kommt nun etwas Drive in die Sache. Ganz normale Menschen teilen meine Inhalte und zeigen sich solidarisch. Das ist toll!
Wo siehst Du den KINDheitstRAUM in 5 Jahren?
Dana: Ich kann mir eine Nachtbetreuung an 7 Tagen in der Woche vorstellen und auch in den Ferien, eben immer dann, wann die üblichen Kita- oder Tagesmutter-Zeiten erschöpft sind. Eine richtige Nacht-Kita sozusagen. Außerdem möchte ich Kurse anbieten: Kochen, Backen, künstlerische Kurse und ja auch Programmierkurse.
Vorteile einer Kinderbetreuung über Nacht
Bei der Nachtbetreuung sind im Gegensatz zum Babysitter, der nach Hause kommt, auch andere Kinder. Gemeinsames Spielen und Essen ist möglich. Gerade für Einzelkinder kann das eine attraktive Abwechslung sein.
Ein Babysitter ist mit dem Kind allein. Bei der Nachtbetreuung gibt es mehr als eine Fachkraft. Dies bietet auch eine andere Sicherheit.
Man sollte sich vor der Idee, die Kinder abzugeben, nicht scheuen. Man sollte es lieber andersherum sehen: Die Kinder haben eine gute Zeit mit anderen Kindern und sie profitieren von der Betreuung.
Dana Tippelhoffer
Vielen lieben Dank für dieses Interview, Dana und viel Erfolg mit Deinem Projekt!
Kannst Du Dir vorstellen Dein Kind in eine Kita über Nacht zu geben und warum? Lass gern einen Kommentar da!
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Ich finde das super. Schade nur das es in Erfurt ist und nicht an unserem Wohnort. Ich bin jetzt alleinerziehender Vater und finde einfach keine Arbeit aufgrund der Betreuungszeiten Schule und Hort. So könnte ich in Nachtschicht arbeiten oder halt abends. So etwas müsste vielmehr gefördert werden und hier sollten sich alle mal ein Beispiel nehmen. Alle schreien es gibt keine Arbeitskräfte,aber die meisten Berufsgruppen sind ja nur im Schichtsystem.
Vor allem für Alleinerziehende in Nachtschicht oder Spätschicht finde ich das eine gute Idee.
Besonders dann, wenn es keine „starren“ Betreuungszeiten (die im Vorfeld gebucht werden müssen) gibt, sondern diese individuell auf die Bedürfnisse der Eltern abgestimmt werden können.
Wenn ich müsste, würde ich das Angebot vermutlich in Anspruch nehmen.
Ein interessantes Projekt. Die Wochenkrippen wurden in der DDR natürlich nicht ohne Grund abgeschafft, da die Entwicklung der Kinder nicht positiv war, sicherlich mit Ausnahmen und ganz unterschiedlichen Ausprägungen.
Insoweit muss man immer individuell schauen, wie das einzelne Kind betreut werden soll. Als Ergänzung oder z. B. Alternative zu fehlenden Omas und Opas ist eine gelegentliche, auch regelmäßige Nachtbetreuung wie sie hier geplant ist, eine tolle Idee und bestimmt für viele Familien eine tolle Entlastung und Bereicherung. Von einer dauerhaften Betreuung sehr kleiner Kinder über Nacht außerhalb des Elternhauses halte ich dagegen eher nichts, aber das scheint ja auch ausdrücklich nicht geplant zu sein.
Ich wünsche ganz viel Erfolg bei der Umsetzung und viele erfüllende Stunden für Kinder und Betreuer.
Viele Grüße
Ich finde die Idee auch super. Ich habe vor der Geburt meiner Tochter 5 Jahre im Nachtdienst gearbeitet und hätte Lust wieder diesen Job auszuführen. Das scheitert aber daran, dass mein Partner unter der Woche nicht zu Hause ist und ich niemanden in der Familie habe, der nachts auf mein Kind aufpassen könnte. Vielleicht muss das Jugendamt diesen Bedarf erkennen um die Idee zu fördern. Ich bin sicher nicht die einzige Mama, die gerne nachts arbeiten würde.
Ich finde die Idee total super!