Slow family – Warum ich nicht zur nächsten Ampel renne

Slow Family: Warum ich nicht zur nächsten Ampel renne

Im letzten Jahr las ich einen Artikel „Warum ich aufhörte „Beeil dich“ zu sagen“ und fing fast an zu weinen. Genauso spielte sich unser damaliges Familienleben ab. Ich trieb mein 2-jähriges Zwiebelchen derart an und Sätze wie „Wir müssen weiter“, „Beeil dich“ oder „Komm‘ schon, wir sind schon zu spät“ waren keine Seltenheit. In diesem Artikel erkläre ich Dir das Konzept von Slow Family und was Du davon lernen wirst.

Entschleunigung auf die harte Tour

Eines Tages wollte meine Tochter partout nicht zum Sportunterricht und trotzte zu Hause vor sich hin. Die Tatsache, dass wir nicht zu diesem Termin erscheinen würden, machte mich völlig fertig. Wir gehen da jeden Montag hin und bezahlen schließlich dafür. Am Ende gingen wir nirgends hin und haben beide geheult.

Der und viele weitere Tage veränderten einiges: mittlerweile lassen wir es langsam angehen UND meine Tochter geht zu keinem Kurs mehr, weder Sport, noch Musik. Ich bin der Meinung, dass so ein Kindergarten-Tag schon anstrengend genug ist. Danach sollen keine Aktivitäten mehr folgen, die besonders viel Aufmerksamkeit und Konzentration erfordern oder viele Regeln voraussetzen. Daher gehen wir nach der Kita nur noch auf den Spielplatz, direkt nach Hause oder maximal noch ein paar Lebensmittel einkaufen.

Ich schleppe meine Kinder nach so einem Kita-Tag auch nicht mehr durchs Einkaufscenter. Das erledigen wir am Wochenende oder noch besser online. Und ohne es gemerkt zu haben, sind wir immer mehr zur „Slow Family“ geworden.

Was ist Slow Family?

Im Grunde geht es darum,

  • möglichst viel stressfreie Zeit mit den Kindern zu verbringen.
  • viel draußen zu sein und von der Natur zu lernen.
  • den eigenen (Mutter-, Vater, Eltern-) Instinkten wieder zu trauen.
  • Erziehung nach dem Pippi Langstrumpf-Prinzip.
  • und um ein bewussteres Leben in Gemeinschaft (Familie, Nachbarschaft, das „Dorf“), denn der Mensch ist nicht geboren, um allein zu sein.

Das bedeutet für uns, dass wir eben kaum noch aufeinanderfolgende Termine wahrnehmen und in Kauf nehmen, dass wir auch mal zu spät kommen. Es gibt kein Programm. Die Kinder müssen nichts bestimmtes spielen und wenn sie die Regeln nicht beachten, mein Gott, davon geht die Welt nicht unter. Wir steigen einfach in das „neue Spiel“ ein.

Da wir einen Garten haben, können wir viel draußen sein. Kinder sind wahnsinnig interessiert an der Natur. Da können wir Erwachsenen noch was lernen, vor allem, wenn sie uns diese fiesen Fragen stellen, auf die wir keine Antworten haben. Betrachte doch ab und zu mal die Welt mit Kinderaugen und dein Verständnis wird größer.

Ich lasse mir von anderen keine Vorgaben (mehr) machen, wenn es gegen mein Bauchgefühl (Instinkt) spricht. Darauf zu vertrauen, ist bei dem vielen Input heutzutage nicht immer leicht.

Das Zwiebelchen ist eine richtige Pippi Langstrumpf. Sie widerspricht andauernd, ist selbstbewusst, mutig und stark. Solche Querdenker braucht meiner Meinung nach die Welt, keine angepassten Ja-Sager. Und darum versuchen wir, sie darin zu bestärken sie selbst zu sein. Auch, wenn es nicht immer leicht ist.

Und so rennen wir – als Slow family – auch nicht mehr zur nächsten Ampel. Wenn es grün ist, schön. Wenn nicht, auch gut, dann warten wir. Keine grüne Ampel ist den Stress wert. Diese Gelassenheit tut uns allen gut.
Und ehrlich, all das einzuhalten, ist nicht immer leicht. Natürlich verfallen auch wir immer mal in Terminstress. Aber die meiste Zeit klappt es ganz gut, denke ich… 😉

Und wie geht es Dir damit?

Tut Dir diese neue Gelassenheit auch gut? Hast du schon Erfahrungen mit dem Slow Family Konzept? Oder stehst du noch am Anfang? Lass doch einfach einen Kommentar hier und wir kommen ins Gespräch!

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Tags: journal

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Comments

    • Katja
    • 2. Dezember 2021
    Antworten

    ich werde oft komisch angeschaut, wenn ich meine Kinder ohne Jacke gehen lasse, deshalb freue ich mich über Deinen Artikel.

    1. Antworten

      Liebe Katja, danke! Das freut mich!

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    • Melli
    • 28. November 2018
    Antworten

    Hallo,

    schöner Beitrag. Sehr inspirierend für mich. Jedoch stellt sich mir die Frage, wie das Prinzip ,, Slow Family“ morgens vor der Arbeit klappt. Meine beiden sind 4 und 2 und jeden Morgen habe ich unheimlichen Stress ja nicht zu spät zur Arbeit zu kommen. Hat da jemand evtl einen Tipp?

    LG Melli

    1. Antworten

      Liebe Melli,
      ja, das Prinzip stellt uns vor viele Herausforderungen im Alltag. Aber der Stress durch die Fast family eben auch.
      Du könntest morgens mehr Zeit einplanen und Kompromisse machen. Wenn sich Dein Kind nicht anziehen möchte, dann lässt Du es eben ohne Jacke gehen und wirfst ihm eben eine Decke über. Mach ein lustiges Spiel draus und versteif Dich nicht auf Grundsatzfragen, die eigentlich nicht so wichtig sind.
      Wenn die Kinder mehr Freiheiten haben, „machen sie oft sogar besser mit“. 😉
      Ich kenne meine Kinder mittlerweile sehr gut und habe verstanden, was sie „antreibt“. Wir entdecken dann morgens erstmal den Mond oder freuen uns auf die lustige Musik im Auto. Mit Freude geht es schneller, ohne, dass jemand gehetzt wird.
      Versuch es mal!
      Liebe Grüße,
      Diana

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    • Madeleine
    • 26. Februar 2018
    Antworten

    Hey,
    sehr toller Blog! Bin über pinterest auf ihn gestoßen, weil ich nach Lösungen suche, unsere Lebensweise auch im Umfeld durchzusetzen. Wir renovieren gerade ein altes Bauernhaus und unsere 5 Monate alte Tochter hält uns auf Trapp 🙂 Ohne dafür einen Namen zu haben, leben und lebten wir schon vor unserer Tochter Minimalistisch und „Slow Family“ aus unserem Umweltgedanken heraus. So haben wir die meisten Sachen, die wir zur Renovierung und zum leben brauchen selbst gebaut. Von der Couch bis zum Treppengeländer. Leider hörte es mit Geschenken gerade für unsere Tochter auf. Wir leben im Dorf und bekamen zur Geburt unheimlich viel Geschenkt. Auch Sachen, die ich gesundheitlich bedenklich finde, und vor allem rosa. Schon heute haben wir zwei volle Kisten voller Spielzeug und oft bekommen wir besuch, der das Kind dann damit spielen sehen will. Mir fällt es unheimlich schwer, die Leute vor den Kopf zu stoßen. Mir graut es vor Ostern der Taufe oder dem ersten Geburtstag. Wenn du da einen Tipp hast: bitte! Teile ihn mit mir 🙂

    1. Antworten

      Liebe Madeleine,
      Danke! Ich freue mich sehr, dass Dir mein Blog gefällt und Dein Thema getroffen habe. Ihr scheint euch wirklich voll als slow Family gefunden zu haben.
      Das mit den Geschenken kenne ich: ich denke, es ist ein Prozess. Wir haben allen gesagt, dass alle Geschenke mit uns abgestimmt haben. Wir haben in Kauf genommen, dass es jemand blöd finden wird, aber sie haben sich daran gewöhnt. Außerdem haben wir Konten für die Kids eröffnet, damit die großen Beträge nicht ausgegeben werden, sondern nachhaltig angelegt werden.
      Wenn es euch wirklich wichtig ist, dann zieht ihr es auch durch 🙂
      Ein Tipp noch: erkläre deinen Mitmenschen doch das Konzept hinter Minimalismus. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sie es verstehen, wenn man es ihnen erklärt. Dass es nicht um rosa oder blau geht, sondern um die Masse und Qualität an Geschenken.
      Viel Erfolg damit und ich hoffe, Du findest weiterhin Lesestoff auf meinem Blog.
      Bis bald mal wieder,
      Diana

      1. Antworten

        Tja, ich habe unbewusst die letzten Jahre nach dem Prinzip gelebt. Es ist wunderbar – bis dann beim Großen die Schule begonnen hat.
        Er kann sich nur schwer einfügen und die genormten Anforderungen passen so gar nicht zu unserem „freispielen“ Prinzipien! Wir haben gerade alle eine harte Zeit und müssen unsere Werte neu überdenken, um nicht auf der Strecke zu bleiben.

  5. Pingback: Hochsensibilität oder die besonderen Antennen - Gastbeitrag von Julia - zweitöchter

  6. Pingback: Gehmeditation mit Kindern - zweitöchter

  7. Pingback: Minimalistisch leben als Familie - zweitöchter

    • Ina
    • 18. Januar 2018
    Antworten

    So machen wir schon ewig und brauchen da keinen hippen Namen. Einfach die Bedürfnisse aller beachten und im Hier und Jetzt leben, so wie es die Kinder uns zeigen.

    Lg aus Norwegen
    Ina

    • Pia
    • 18. Januar 2018
    Antworten

    Schöne Anregungen!

  8. Pingback: 5 Prinzipien, die achtsame Eltern anders machen - zweitöchter

    • Diana
    • 7. Juli 2017
    Antworten

    Hallo Stefan, es freut mich, dass der Artikel Dich in eurer Mentalität bestätigt. Leider leben wir momentan in einer derartigen Leistungsgesellschaft, dass wir schon unsere Jüngsten mit Terminen und Weiterbildung unter Druck setzen. Das einfache „Spiel“ sollte m. M. Im Vordergrund stehen, so wie du es auch beschreibst. Ihr macht es schon instinktiv so, aber ich möchte die gestressten Familien wachrütteln, es entspannter angehen zu lassen. Lg

  9. Antworten

    Es fängt bei uns, den Eltern an. Da ich selbst nie zur Ampel oder nächsten Bahn rennen würde, warum sollte ich es mit dem Kind tun? Ich selbst verbringe nach getaner Arbeit einen entspannten Nachmittag zuhause auf der Terasse und schaue meinem Kind (2,5 Jahre) beim Spielen zu oder spiele selbstversunken mit. Welchen Druck sollte ich da weitergeben wollen?

    Wir haben keine Sporttermine oder Musik, das kommt in der Schule sicher noch zur Genüge. Ich denke, unsere Tochter ist beweglich genug und bekommt am Tag sehr viel Input, den sie verarbeiten muss. Das reicht und für das andere sind noch viele Lebensjahrzehnte übrig.

    Und ja, wir haben viel darüber nachgedacht, ob wir nicht mehr machen müssten. Dieser Artikel bestärkt meine Sicht darauf, es (aktuell) nicht zu tun. 🙂

    • Kristin
    • 14. Juni 2017
    Antworten

    Unbewussterweise leben wir das schon weitestgehend. Wusste gar nicht, dass das schon „verkonzeptioniert“ wurde. Joscha zeigt mir auch relativ schnell, wenn ihm was zu viel wird oder nicht passt und ich habe eigentlich immer versucht, in dem Moment darauf einzugehen und mich langfristig darauf einzustellen. Mittlerweile haben wir, was das Programm und die Tagesgestaltung angeht, einen ganz guten gemeinsamen Weg gefunden. Soviel zu Instinkten trauen. 😉 Aber ab und an gibt es eben doch ein paar Termine, die man einhalten muss. Und ab und an fordert das Kind auch mal mehr Programm als „nur“ Spielplatz.

      • Diana
      • 14. Juni 2017
      Antworten

      Liebe Kristin, schön, dass das bei euch so gut klappt. Ab und zu müssen natürlich Termine wahrgenommen werden. Bei uns hat es sich bewährt, Arzttermine etc. noch vorm Kindergarten zu erledigen. Dann sind wir nämlich alle noch frisch und keiner ist müde und hungrig oder beides 😉

    • alice
    • 11. Juni 2017
    Antworten

    wirklich lesenswert geschrieben! ein thema, was mich schon lange zum nachdenken bringt und ich erwisch mich immer wieder, wie i meine kinder in mein hamsterrad zu ziehen versuche …

      • Diana
      • 11. Juni 2017
      Antworten

      Liebe Alice, danke für Deinen Kommentar. Ich freue mich, dass ich Dich mit diesem Thema erreichen konnte und hoffe, du findest einen Weg, der dich und deine Familie glücklich(er) macht.

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